Konsequenzen sind gefragt

Bei der Urteilsverkündung am 18.10. im Prozess um den Tod des abgeschobenen Sudanesen Aamir Ageeb hat Richter Heinrich Gehrke geschildert, wie Ageeb vor der eigentlichen Abschiebung von als Zeugen aussagenden BGS-Beamten in der Gewahrsamszelle in Frankfurt aufgefunden worden war:

in der erniedrigenden, unmenschlichen und lebensgefährlichen hogtie-Fesselung &#8211; auf dem Bauch liegend, Hände und Füße hinter dem Rücken verschnürt. &#8222;Abu Ghraib lässt grüßen&#8220;, so der Vorsitzende. Er wies damit auf einen Skandal hin, der nicht Gegenstand des Verfahrens war. Die &#8222;Vorfessler&#8220; &#8211; der kafkaeske Ausdruck trifft hier zu &#8211; saßen nicht auf der Anklagebank. PRO ASYL hat allerdings nach dem vorangegangenen Verfahren vor dem Frankfurter Amtsgericht Strafanzeige gegen die mutmaßlich beteiligten Beamten erstattet.<br> Das milde Urteil der Frankfurter Schwurgerichtskammer (9 Monate auf Bewährung) war der verzweifelte Versuch, einen Polit- und Justizskandal nach überlanger Verfahrensdauer am Ende nicht allein auf dem Rücken der Angeklagten auszutragen. Die vom Gericht hierfür gefundene Ausnahmekonstruktion &#8211; das Abweichen von der gesetzlich eigentlich vorgeschriebenen Mindeststrafe wegen einer angeblich ungewöhnlichen Häufung von Strafmilderungsgründen &#8211; ist problematisch. Das vom Urteil ausgehende Signal kann wohl kaum als generalpräventiver Beitrag verstanden werden. Kann es einen juristisch ungewöhnlichen Beamtenrabatt dieser Art vor allem geben, weil schleppend ermittelt wurde und die Verurteilten unten in einer Hierarchie standen, in der die Verantwortlichen nicht zu greifen waren?<br> Ob das Bundesinnenministerium die richtigen Konsequenzen aus dem Urteil zieht, wird sich zeigen. Solange klammheimlich organisierte nächtliche Charterflüge unter Ausschluss der Öffentlichkeit zur deutschen Abschiebungspraxis gehören, sind sie nicht gezogen. Das BMI wäre gut beraten, den Hinweis des scheidenden Frankfurter Kammervorsitzenden Gehrke in seiner letzten Urteilsbegründung als Mahnung zu verstehen, keine Verhältnisse entstehen zu lassen, in denen sich Beamte ermutigt fühlen könnten, das von ihnen politisch Erwartete unter Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgebots und der Menschenwürde umzusetzen. Presseerklärung Pro Asyl, 19.10.04