Leichentourismus nach Thüringen

Frankfurter Verstorbene landen in anonymer Urnen-Gemeinschäftsunterbringungsanlage in Thüringen Im Zusammenhang mit dem Tod eines ehrenamtlichen Mitarbeiters der LOBBY hat LOBBY einen Skandal aufgedeckt, der sich mit der "Beerdigung" von ärmeren Frankfurter Bürgerinnen und Bürgern beschäftigt.

Durch eine Ausschreibung des Ordnungsamtes der Stadt Frankfurt ( durch die die Standars auf ein nicht mehr zu akzeptierendes Minimum reduziert wurden) hat sich ein regelrechter Leichentourismus nach Thüringen entwickelt.

Verstorbene ärmere Bürgerinnen und Bürger, bei denen keine Verwandte oder Bekannte für eine würdevolles Begräbnis sorgen können, bzw. die Kosten über das Sozialamt nur noch in reduzierter Form gedeckt werden, werden über eine Frankfurter Pietät in größeren Gruppen in einem Thüringer Krematorium verbrannt und anschliessend in Größenordnungen zwischen 8 und 20 Urnen auf einem Thüringer Friedhof ohne Kreuz oder einen Namenshinweis gemeinsam beerdigt. Dabei haben die Nachforschungen von LOBBY ergeben, dass sich aufgrund eines unausgesprochenen Zusammenwirkens verschiedener Institutionen wie Ordnungsamt, Sozialamt, verschiedenen Krankenhäusern und Altenheime, sich diese "Beerdigungspraxis" durchgesetzt hat. In vielen Fällen wurde immer wieder der Name des gleichen Beerdigungsinstituts genannt und mitgeteilt, dass dieses Unternehmen für die Praxis der Beerdigung die Verantwortung trage, weil das Krankenhaus oder das Altenheim nicht in der Lage sei, dies im Detail vorzubereiten und durchzuführen.

Nachfragen zum Beispiel bei der Universitätsklinik Frankfurt : "Wir sind gezwungen, die billigste Lösung zu wählen, da wir die Kosten zu tragen haben". Das Nordwest-Krankenhaus Frankfurt wollte sich nur zu schriftlichen Fragen äußern. In anderen Krankenhäusern teilten die zuständigen Mitarbeiter mit, dass sie die Zuständigkeit in solchen Fällen an ein Beerdigungsinstitut abtreten, da sie nicht die Zeit haben, sich intensiv um die Frage zu kümmern. Nur die städt. Klinik in Frankfurt Höchst erklärte verbindlich durch eine Mitarbeiterin der standesamtlichen Abteilung, dass sie auch weiterhin über die städt. Pietät beerdigen lassen.

Mitarbeiter verschiedener ebenfalls der Stadt Frankfurt nahe stehende Altenheime und Krankenhäuser , machten letztlich den juristischen Streit zwischen Sozialamt und Trägern, über die Kostenübernahme für diese Entwicklung verantwortlich. Dieser Streit sei derzeit vor einem Gericht letztinstanzlich anhängig.

Der Leiter der städt. Pietät Frankfurt beklagte sich im Gespräch mit der LOBBY darüber, dass der ruinöse Wettbewerb dazu geführt habe, dass nach seiner Meinung eine menschenwürdige Bestattung von ärmeren Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr Gewähr leistet sei, und die städt. Pietät auch aus wirtschaftlichen Gründen Beerdigungen zu einem solchen Preis nicht mehr kostendeckend durchführen kann. Auf die Nachfrage hin, wie er sich die günstigen Preise erkläre, sage der Leiter der städt. Pietät, dass die Krematorien in der ehemaligen DDR noch nicht die strengen Umweltauflage erfüllen müssten und die Gebühren ebenfalls wesentlich niedriger seien, als in den alten Bundesländer. Nur so sei es dem bekannten Beerdigungsunternehmen möglich, solche Dumpingpreise anzubieten. Schliesslich seien die Gebühren im Frankfurter Krematorium, bedingt durch die millionenschwere Sanierung, sehr hoch.

Wer genauer nachforscht, kommt zu dem Ergebnis, dass die Bestattungsbeihilfen des Sozialamtes Frankfurt in der Höhe genau dem Betrag entsprechen, den das Frankfurter Beerdigungsunternehmen im Rahmen der Ausschreibung für das Ordnungsamt der Stadt Frankfurt abgegeben hat. Damit sind Angehörige gezwungen, die auf Grund ihres geringen Einkommens nicht in der Lage sind eine Beerdigung zu finanzieren, auf das günstige Angebot auszuweichen. Auch in Frankfurt finden inzwischen nach Aussagen mehrere Institutionen namenlose Beerdigungen statt, da dem Friedhofsamt die Grabpflegekosten nicht erstattet werden.

Das Frankfurter Ordnungsamt sagte in einer offiziellen Stellungnahme :

"Wir haben von dieser Praxis gehört. Das Ordnungsamt der Stadt Frankfurt verfährt noch nicht danach. Allerdings gehen wir davon aus, dass zum Beispiel in Offenbach so verfahren wird. Wir sind aber nicht verantwortlich dafür, wenn Betroffene Angehörige zu Herrn Staymann ( Leiter des Jugend- und Sozialamtes ) rennen, und auf der Basis der Kosten für eine solche Praxis Anträge auf Kostenübernahme stellen ".

Das Sozialamt in Offenbach bestritt vehement, dass in Offenbach eine solche Praxis stattfindet.

Je intensiver die Nachforschung seitens der LOBBY wurden, desto mehr wurde auch deutlich, dass die Beteiligten die Verantwortung Hin und Her schieben.

Jochen Meurers, Vorsitzende der LOBBY sagte dazu:

"Der Skandal besteht nach unserer Meinung darin, dass in Frankfurt allein stehende ansässige Bürgerinnen und Bürgern mit geringem Einkommen in einer Urnensammelunterbringungsanlage in Thüringen bestattet werden, statt namentlich in Frankfurt beerdigt zu werden Zusätzlich wird offensichtlich nicht mehr auf die Tatsache Rücksicht genommen, dass es auch Menschen gibt, die nicht im Falle ihres Todes verbrannt werden möchten. Sollte dieser Wunsch nicht mehr ermittelbar sein, so wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass der oder die Betroffene nicht gegen eine Feuerbestattung einzuwenden hätte.

Der Skandal besteht weiterhin darin, dass auf Grund des Einsparungswahn, der die Städte und Gemeinden erfasst hat, weil die Haushalte am Ende sind, die ehtischen Grundlagen einer zivilisierten Gesellschaft verlassen werden. Es gehört zu den Grundlagen einer zivilisierten Gesellschaft, spätestens seit der Zeit der ersten griechischen Gesellschaften , dass jeder Bürger und jede Bürgerinnen ein Grundrecht auf eine menschenwürdige Bestattung hat.

Die namenlose Unterbringung in Urnenmassengräbern ist nicht mehr als menschenwürdige Bestattungsform zu bezeichnen.

Es ist leider davon auszugehen, dass diese Form des Leichentourismus nicht nur in Frankfurt stattfindet, sondern auch von anderen Städten und Gemeinden in Deutschland praktiziert wird. Es gibt Hinweise darauf, denen wir aber nicht mehr weiter nach gehen konnten.

Deshalb fordere ich die Stadt Frankfurt auf, diejenigen Bürgerinnen und Bürger, die in Thüringen - der LOBBY ist der Name der Gemeinde bekannt - so menschenunwürdig beerdigt worden sind, wieder nach Frankfurt zurückzuführen, und in namentlich gekennzeichneten Gräbern zu beerdigen.

Gleichzeitig fordere ich die Stadt auf alles zu unternehmen, damit eine solche Beerdigungspraxis abgestellt und der Zuschuss der Stadt Frankfurt über das Sozialamt für eine Bestattung durch die städt. Pietät so erhöht wird, dass diese wieder würdevolle Beerdigungen in Frankfurt durchführen kann, bzw. Angehörige eine menschenwürdige Beerdigung veranlassen können. Ich habe Verständnis für Einsparungen auf Seiten der Kommunen. Dies darf aber nicht zum Zerfall von unverzichtbaren, ethischen Grundsätzen führen. Im Grundgesetz ist definiert, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Dazu gehört auch das Recht auf eine menschenwürdige Bestattung. Angesichts der Tatsache, dass die Krankenkassen ab 2003 keine Bestattungskosten mehr tragen werden, wird diese unerträgliche Form des Leichentourismus zunehmen. Es wurde bei den Nachfragen deutlich, dass viele Mitarbeiter verschiedene stadtnaher Institutionen, diese Art von Beerdigungspraxis ebenfalls mit Entsetzen sehen, und darauf hoffen, dass die durch uns jetzt angestossene Ethikdiskussion zu einem positiven Ergebnis führt. Um zu verhindern, dass ältere Bewohner von Altenwohnheimen so beerdigt werde, legen Bewohner dieser Altenheime von ihrem geringen Taschengeld noch monatlich einige Euros zurück.

Ich hoffe, dass der in Thüringern anonym im Massengrab bestattete ehrenamtliche Mitarbeiter der LOBBY, Hermann Geyer, jetzt in Frankfurt beerdigt werden kann.

Uns geht es auch darum, dass wir uns alle bewußt werden, dass uns die ethischen Grundsätze, auch angesichts der Vereinzelung in unserer Gesellschaft, nicht endgültig verloren gehen".

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