Makler will Mieter vertreiben

Unzählige Male war in den letzten Jahren das Wort „Standort“ zu hören: Deutschland sei nicht konkurrenzfähig, weil wegen zu hoher Steuern und zu viel Bürokratie unattraktiv für Investitionen des transnational wirkenden Kapitals. Dasselbe erleben wir im Kleinen in Diskussionen über die Entwicklung der Stadt Frankfurt: Die Bankenmetropole müsse die Interessen der internationalen Finanzwelt besser berücksichtigen.

Für das Wohlergehen der Herrschaften fühlt sich insbesondere der Immobilienmakler Rainer M. Ballwanz zuständig. Er ist in letzter Zeit mehrfach mit Forderungen nach einem neuen Gesamtkonzept zur Stadtentwicklung an die Öffentlichkeit getreten, das die Attraktivität Frankfurts für internationale Bank- und Börseneliten erhöhen soll. &#132;Für den Global Player aus London oder New York&#147;, ließ Ballwanz die Frankfurter Rundschau in einem Interview wissen, &#132;war Frankfurt bislang ein ungeliebter Schritt auf der Karriereleiter.&#147; Warum? Weil bessere Leute hier nicht standesgemäß wohnen können.<br> Mehr Lebensqualität für Reiche<br> Daraus, dass in jeder anderen Metropole die teuersten Wohngebiete &#132;immer zentral in der Innenstadt liegen&#147;, folgert Ballwanz, dass dafür auch in Frankfurt gesorgt werden muss. Denn &#132;der Global Player soll nicht nach der Arbeit noch zwanzig Kilometer vor die Tore der Stadt fahren müssen. Das sind auch die Anreize für Unternehmen, sich in Frankfurt anzusiedeln und nicht woanders.&#147; Sein Mitarbeiter Andreas Schaffer fügt hinzu: &#132;Viele Menschen wollen aus ihrer Villa in Königstein in die Stadt ziehen &#150; aber nicht in ein Haus, in dem vierzig andere Wohnungen sind. Das schränkt ihre Lebensqualität ein.&#147;<br> Es ist ja auch zu ärgerlich, dass Ballwanz sich zurzeit mit dem Verkauf luxuriöser Wohnungen am Deutschherrnufer herumplagen muss: Die reiche Kundschaft will sie nicht haben, weil sich in der Nähe Sozialwohnungen befinden. Deshalb ist der Makler mit einer Reihe von Bauprojekten in die Offensive gegangen, die endlich den gut betuchten Finanzleuten die angemessene &#132;Lebensqualität&#147; ermöglichen sollen. <br> Auf Worte folgen Taten<br> Ein Ballwanz-Protzbau entsteht gerade direkt in Börsennähe in der Schillerstraße und Großen Eschenheimer Straße. Aber auch im alten Arbeiterviertel Gallus, in dem vorwiegend untere Einkommensschichten angesiedelt sind, schlägt der Mann mit dem Herz für Reiche zu: Zwischen Mainzer Landstraße, Gutenbergstraße und Frankenallee geht gerade ein Glaspalast mit 23 schicken Eigentumswohnungen sowie modernen Geschäftsräumen seiner Vollendung entgegen.<br> Dummerweise stehen dem Ziel, die Innenstadt zum &#132;pulsierenden Kern Frankfurts&#147; zu machen, die dort wohnenden Menschen entgegen: Arbeiterinnen und Arbeiter, kleine Angestellte, Rentnerinnen und Rentner, auch Arbeitslose und sozial Schwache. Viele von ihnen kommen aus den ärmeren Teilen der Welt. Da gibt es für Ballwanz nur eins: Die müssen weg. Für ihn gehören sie irgendwo an den Stadtrand: Da die BewohnerInnen des Bahnhofs-, Gallus- und Gutleutviertels seiner Vermutung nach in diesen &#132;im klassischen Sinne nicht wohnenswerten&#147; Stadtteilen sowieso nicht glücklich sind, sollen für sie &#132;Anreize&#147; geschaffen werden, &#132;in ein neues Wohngebiet zu ziehen&#147;.<br> Zwangsumsiedeln kann man sie nicht. Aber das richtet der Markt. Nach und nach wird der Mietspiegel hochgetrieben. Schon jetzt wird empfohlen, Eigentumswohnungen im Gallus zu kaufen, da eine Wertsteigerung erwartet wird. Irgendwann bleibt Menschen mit geringerem Einkommen dann nur noch der Weg in schäbige Vorstadtsiedlungen, wo Rassismus und Kriminalität gedeihen. <br> Die Unverfrorenheit, mit der Rainer Ballwanz sein Interesse an Geschäften mit Besserverdienenden für eine ganze Stadt zur Norm erhebt, die Dreistigkeit, in der mit dem Hinweis &#132;Es gibt einfach unterschiedliche Einkommensstrukturen&#147; die Klage verbunden wird, Reiche seien in Frankfurt benachteiligt und ausgegrenzt, stellt ein anschauliches Lehrstück über den Charakter des kapitalistischen Systems und seiner Masken dar: Profite sind wichtiger als Menschen, und die in der Minderheit befindlichen Menschen, die die Profite einstreichen, verlangen, die durch dieses System Benachteiligten beiseite zu schieben, weil sie sich durch deren Anblick gestört fühlen.<br> &#132;Friede den Hütten, Krieg den Palästen&#147;, schrieb einst der hessische Dichter Georg Büchner. Noch besser wäre: Paläste für alle. Es wird Zeit, Gegenwehr zu organisieren. aus: DKP-Stadtzeitung, Nr. 04/03

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