Plädoyer für humanes Wirtschaften

by Redaktion veröffentlicht 25.04.2000 , zuletzt geändert 07.10.2007

Landesregierung streicht Fördermittel für selbstverwaltete Betriebe

Mit dem Regierungswechsel in Hessen 1999 wurden die seit 91 von Rot-Grün gewährten Fördermittel für selbstverwaltete Betriebe komplett gestrichen. In fünf Jahren hatten 120 Betriebe, dreiviertel als Existenzgründungen, davon profitiert. „Netz Hessen – Verband selbstverwalteter Betriebe in Hessen e. V. (VSBH)“ kann seitdem die Stelle für seine vernetzende Funktion der Beratungsvermittlung nicht mehr finanzieren. Auch musste die Zeitung „fairnetzt“ eingestellt werden. Für den Verband stellt sich die Frage, wie es weitergeht. Dabei wird auch diskutiert, inwieweit die staatlichen Mittel direkt oder indirekt dazubeigetragen haben könnten, das Engagement der aktiven Mitglieder im Verband zu lähmen. Wir dokumentieren – stark gekürzt – eine Standortbestimmung von Uwe Weppler, Verbandssekretär bei netz Hessen seit 1990, die wir der Zeitung contraste 2/00 entnommen haben. ola

„Der VSBH wurde 1983 anläßlich der durch die hessische Regierungsbeteiligung der Grünen erwirkten Förderung von selbstverwalteten Betrieben gegründet. Nach einer schweren Krise Ende der 80er Jahre nahm die Enwicklung des Verbandes als Vernetzungsinstrument Anfang der 90er einen neuen Aufschwung, der auch im Zusammenhang der Förderungspraxis nach dem Regierungswechsel zu rotgrün 1991 stand. In den folgenden Jahren hatte die Mitgliederzahl einen Höchststand von 53 erreicht. Eine Mitgliederzahl, wie zur Gründungszeit, als es noch darum ging, 7 Millionen DM jährlich an Fördergeldern zu verteilen. Heute sind es noch 45 Mitglieder – auch deshalb, weil sich in den letzten Monaten 7 Betriebe aufgelöst haben. Ansonsten haben sich in den letzten Jahren Ein- und Austritte die Waage gehalten ...

Zwischen Dienstleistungen und Inhalten

In den vergangenen Jahren hat das netz Hessen sein Angebot an Dienstleistungen ausgebaut. Neben dem Versorgungswerk für Alter und Berufsunfähigkeit waren bzw. sind dies Qualifizierungsseminare, ein Wertgutscheinheft für den Einkauf bei Mitgliedern, Betriebsberatungszuschüsse und die Kundenzeitschrift „fairnetzt“. Die Angebote „VerNETZT telefonieren“, Job-Ticket und Ausbildungsverbund sind nicht oder von wenigen angenommen worden. Die Einkaufsgenossenschaft für Ökostrom und die Präsentation von Betrieben im Internet sind derzeit im Entstehen begriffen. ... Größere Resonanz fanden inhaltliche Veranstaltungen zu Themen wie alternative Finanzierungssysteme, Probleme mit der Ökobank, Krebsmühle – gestern, heute, morgen, die Auftaktveranstaltung zur Seminarreihe „Wege aus der Krise – hin zum Regenbogen“, zur Hessenknete in Kassel, zum Kriegssteuerboykott anläßlich des Golfkriegs und zur MitarbeiterInnengesellschaft. Über das Selbsverständnis der Selbstverwaltung wollte jedoch kaum einer diskutieren ...

Politisches Selbstverständnis

Nur wenige Mitarbeiterbetriebe werden heute den orthodoxen Kriterien der Selbsverwaltung noch gerecht oder sind nach außen noch politisch aktiv. Vor allem, da das gesellschaftliche Umfeld, das die außerparlamentarischen Bewegungen geboten hatten, verlorengegangen ist und sich viele Betriebe mit ökonomischen Problemen auseinanderzusetzen haben. Zu finden ist aber ein überbetriebliches Kooperaionsinteresse, häufig über Personen vermittelt ... Ursächlich scheint dafür auch zu sein, mit den Werten der Selbstverwaltung eine gesellschaftliche Wirkung zu erzielen: Sicher nicht mehr mit dem eng gefassten Begriff der Selbstverwaltung, aber möglicherweise als human wirtschaftender Betrieb, der Mitarbeiterinteressen über die Vermehrung von Kapitalanteilen stellt. ...

Das netz Hessen ist ein Regionalverband. Gegenüber anderen Interessenverbänden wie Unternehmensgrün oder der Arbeitsgemeinschaft partnerschaftlicher Betriebe (AGP) grenzt er sich dadurch ab, dass er die betriebliche Mitentscheidung der Beschäftigten in den Vordergrund rückt. Er ist der einzige Unternehmensverband in Hessen, der sich für betriebliche Demokratie und soziale Gerechtigkeit einsetzt. Dem branchenübergreifenden Verband sind Betriebe und Vereine mit etwa 1000 Beschäftigten angeschlossen. Hessenweit dürften allerdings über 10000 Erwerbstätige in „demokratischen“ Arbeitsverhältnissen beschäftigt sein. Die Schwerpunkte dieser Betriebe sind unterschiedlich gesetzt, die einen heben inhaltliche Aspekte wie Ökologie oder Soziales hervor, die anderen ihre kooperative Struktur oder einfach „nur“ ihr politisches Bewußtsein. Die in der Regel bundesweit organisierten Branchenverbände (zum Beispiel Bundesverband Naturkost/Naturwaren) können für die Praxis ihrer Miglieder eine wertvolle Hilfe sein. Demgegenüber hat das netz Hessen landespolitisches Gewicht, kann regionale Akzente setzen und hessische Förderprogramme, als Lobbyinstrument seiner Mitglieder, beeinflussen. Vor allem aber kann das netz Hessen dazu beitragen, die branchenübergreifende Idee eines humanen Wirtschaftens weiterzutragen ...

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Selbstorganisation