Rassistische FAZ-Karikatur – Leserbrief

Am Sonntag, 13. Mai 2001 veröffentlichte die Sonntags-FAZ direkt neben einem Artikel der mit "Die CDU spricht über Ausländer" überschrieben war, eine Karikatur. Sie zeigt einen Schulhof. Unter einem Baum steht eine deutlich als "Ausländer" karikierte Figur, ein Drogendealer, der von einem Schüler mit den Worten angesprochen wird: "Gib mir heute zwei Gramm mehr, Abdul, das Kindergeld ist erhöht worden".

Diese Karikatur ist nach unserer Auffassung eindeutig rassistisch und ausländerfeindlich. Wir protestieren gegen ihre Veröffentlichung in der Sonntags-FAZ. Es ist empörend, dass die Spalten Ihrer Zeitung für eine Karikatur dieses miesen Niveaus offen stehen. Soll das Ihr Beitrag für das Leben im "weltoffenen Frankfurt" sein? Ist das die Konkretion Ihres in einem Kommentar zu den Demonstrationen am 1. Mai zu Recht geforderten schärferen Vorgehens gegen Rassisten und Nazis?

Was uns ganz besonders empört, ist ein weiteres Detail Ihrer Karikatur. Die Schule, auf deren Hof der karikierte Drogendeal stattfindet, ist durch eine Aufschrift über dem Portal als "Walter Benjamin Schule" gekennzeichnet. Ihr Karikaturist schämt sich nicht, den Ort des Drogendeals also nach einem bis heute weltbekannten und hoch geachteten jüdischen, marxistischen Intellektuellen aus Deutschland zu benennen, prominentes Mitglied der "Frankfurter Schule", der sich auf der Flucht vor der faschistischen Wehrmacht im französisch-spanischen Exil lieber das Leben nahm, als seinen Verfolgern lebendig in die Hände zu fallen.

Die Benennung der karikierten Schule kann kein Zufall sein. Sie ist vielmehr eine absichtliche Verhöhnung Walter Benjamins.

Ihr Karikaturist stellt damit Ihre Zeitung unmittelbare Nachbarschaft zu den Kräften, die in einem ihrer Aufrufe zur Nazi-Demonstration am 1. Mai unsere Stadt unter anderem deshalb in den Schmutz ziehen wollten, weil sie die Heimat der "Frankfurter Schule" war. Mit Ihrer Karikatur illustrieren Sie geradezu diesen Satz. Die Heimatstadt der Frankfurter Schule ist bevorzugter Schauplatz von Drogenkriminalität - nur so kann man Ihre Karikatur verstehen. Würden Sie sich wundern, sie demnächst in einem rechtsradikalen Hetzblatt nachgedruckt zu finden?

Auf diesem Hintergrund können wir die angesprochene Karikatur nur als zynische Provokation verstehen, die wir, Frankfurter Bürgerinnen und Bürger nicht einfach hinnehmen werden. Während eines gemeinsamen Treffens der "Telefonkette gegen Rechts" und Angehöriger zahlreicher gewerkschaftlicher und politischer Organisationen, antifaschistischer und antirassistischer Initiativen am gestrigen 17. Mai haben wir uns unter anderem mit einer angemessenen Reaktion auf diese Karikatur befasst.

Wir fordern hiermit ein verantwortliches Mitglied der Redaktion Ihrer Zeitung sowie den / die Karikaturist/in zu einer öffentlichen Diskussion über die Beweggründe Ihrer Veröffentlichung dieser rassistischen Karikatur auf und erwarten Ihre baldige Antwort.

Pfarrer Dr. Hans Christoph Stoodt
Telefonkette gegen Rechts

Telefon und Fax: 069 283778


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