Verknastung statt Prävention: Elektronische Fußfessel

Kritik an dem Modellversuch zur elektronischen Fußfessel

Ab Mai steht er in einem „Modellversuch“ bis zu 30 Frankfurter Delinquenten ins Haus: der elektronisch überwachte heimische Arrest, gemeinhin nach seinem Folterinstrument „Fußfessel“ genannt. Zur Technik: Das Teil ist ein, mit einem kleinen Sender verbundener Plastikstreifen, der um’s Fußgelenk gelegt wird, untrennbar, etwa wie ein Kabelbinder. (Natürlich kann man den durchtrennen und in’s Waldstadion gehen oder nach Mallorca fliegen. Folge nur: nach Ergreifen, ab nach Butzbach). Der Sender sendet Signale an ein am Telefon installierten Empfangs- und Sendeteil. Der wiederum schickt ein Dauersignal an die Zentrale für Datenverarbeitung nach Wiesbaden. Geht der Mensch weiter als 80m vom Empfangsteil weg, z.B. für ‘ne Flasche Bier an den Kiosk, wird das Dauersignal unterbrochen. Wiesbaden schlägt Alarm und einer der vier zu dem Zweck eingestellten ABM-Sozialarbeiter (wohl auch Bewährungshelfer genannt) schmeißt sich in den Dienstwagen und geht der Sache auf den Grund.
In Hessen wird die Methode als verschärfte Bewährungsauflage angewandt werden, in anderen – auch SPD-regierten – Bundesländern in bestimmten Fällen statt Knast. (Die Bayern mögen das grundsätzlich nicht. Ihre größte Sorge: Die Typen könnten Weißbier trinkend Bayern gegen Schalke glotzen, statt im Knast zu schmachten).
Was noch wichtig ist: das Ganze ist angeblich freiwillig, ein Scheinargument. Denn nach dem Motto „friss Vogel oder stirb“ werden die Verurteilten natürlich die Fessel dem Knast vorziehen. Und: der Computer kann so programmiert werden, dass „Ausgang“ zur Maloche statthaft ist.
Gegen die Modellversuche gab es heftige Proteste, vor allem von denen, die mit dem betroffenen Klientel befasst sind: von den in der Straffälligenhilfe tätigen Sozialarbeiterverbänden wie AWO, Caritas und Innere Mission. Von Kriminologen. Vom Bund der JuristInnen bis zu einzelnen Arbeitsgemeinschaften Sozialdemokratischer Juristen. Von Bundesgrünen. In Frankfurt von den Bewährungshelfern und dem Personalrat des Frankfurter Landgerichts.br> Die Argumente: Massiver staatlicher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht. Erstmals in Deutschland elektronische Kontrolle der Bewegungsfreiheit von Menschen. (Übrigens: wird so ein Tabu gebrochen, gibt es keine Schranken. Schon wird diskutiert, ob man nicht demente Altersheimbewohner mit der Fessel am Fortlaufen hindern könnte). Viele befürchten, dass ganze Familien mitbestraft und traumatisiert werden könnten („Papa, gehste mit Eis essen, in’s Schwimmbad, zur Pizzeria?“ „Kann nicht, sonst kommt der Kontro“). Die Bewährungshelfer befürchten, ihre Arbeit – wie immer man diese justiznahe Tätigkeit auch beurteilen mag – würde beschädigt, sähe man in ihnen Kontrolettis statt vertrauenswürdige Sozialarbeiter.br> Angemahnt werden von den Kritikern statt Überwachung sinnvolle ambulante Hilfe wie Wohn- und Arbeitsprojekte, Schuldnerhilfen und Beratungsstellen für Straffällige und ihre Angehörigen, Prävention also. Die Proteste waren vergeblich. Durchgesetzt hat sich die Faszination von angeblich Sicherheit produzierender Elektronik, haben sich rechtskonservative Sicherheitspopulisten. Die Hände reibt sich die prosperierende Sicherheitsindustrie. Die Verknastung der BRD schreitet voran, ob per Fußfessel oder Knastneubauten wie in Schlüchtern. Die USA mit ihren exorbitanten Gefängnis- und Überwachungszahlen wird Beispiel gebend statt abschreckend.

PS: Und wer sich von den hessischen Grünen Vernunft oder gar Protest erwarten sollte: Gegenanzeige! Plotte hatte das Projekt „Fessel statt Knast“ bereits in der Schreibtischschublade, Wagner brauchte nur zuzugreifen. Und Al-Wazir applaudiert: („Egal ob privat oder öffentlich, Hauptsache es wird gebaut“) dessen Gefängnisneubauten. Einst wäre die hessische Rot-grüne Koaltion fast am Widerstand der Grünen gegen den Bau des Knasts Weiterstadt gescheitert. Lang ist’s her und was scheren Überzeugungen von gestern. Und die Sozialdemokraten? Siehe Vorbild Tony Blair: „Law and order is a Labour issue“. Zu deutsch: „Was die Schwarzen machen, können wir schon lange“ -ll-

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