Wie aus einer Kassiererin eine Künstlerin wird

Der Beschluss des Magistrats der Stadt Frankfurt, an der beabsichtigten Bühnen GmbH aus den Tarifverträgen auszusteigen, ist die öffentliche Erklärung zur Tarifflucht eines Arbeitgebers, der sich gerne rühmt, ein sozialer Arbeitgeber zu sein.

<P> Bis heute war der Vorsitzende des kommunalen Arbeitgeberverbandes, Stadtkämmerer Glaser, nicht in der Lage, mit der ÖTV über eine Neugestaltung der im Theater geltenden Tarifverträge Gespräche aufzunehmen und seine Vorstellungen zu leistungsbezogenen Entgeltbestandteilen mitzuteilen. Außer der von ihm in der Pressekonferenz nach der Magistratssitzung am 16.06.2000 geäußerten Vorstellung, "wir brauchen witzige Tarifverträge", war bislang substantiell nichts zu hören. <P> Der Deutsche Bühnenverein, als Arbeitgeberverband für die künstlerisch Beschäftigten an Theatern und Bühnen, hat offensichtlich Existenzprobleme in der bundesdeutschen Theaterlandschaft. Wie sonst ist es zu verstehen, dass er die Gunst der Stunde nutzt und den beabsichtigten tariflosen Zustand in einer zukünftigen Bühnen GmbH ausfüllen will - und das auch noch ohne "dicke Konfrontation". <P> Dass Beschäftigte, die überwiegend künstlerisch tätig sind unter den Bedingungen eines Tendenzbetriebes arbeiten (sie müssen in die künstlerische Vision der Intendanz passen), kann noch nachvollzogen werden, aber warum das beispielsweise für Kasse, Werkstätten und Verwaltung gelten soll, bleibt unklar. <P> Nach Aussage von Rolf Bolwin, Vorstand des Deutschen Bühnenvereins, soll es sogar leistungsbezogene Zulagen geben. Wie schade für die bisher künstlerischen Beschäftigten, dass der Bühnenverein nicht schon früher solchen Überlegungen nahe getreten ist. <P> Nach den bestehenden Tarifverträgen für Künstlerinnen und Künstler gibt es immer nur befristete Arbeitsverträge deren Beendigung der Arbeitgeber nur rechtzeitig mitzuteilen hat. Einen Kündigungsschutz, wie im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehen, gibt es nicht. <P> Dass die Beschäftigten der Bühnen ein solch neues Tarifsystem überhaupt nicht "witzig" finden, drückt sich deutlich in ihrer Haltung gegen eine Bühnen-GmbH aus.