Zur Diskussion um den 1. Mai in Fechenheim Fragen und Forderungen

<p>Der diesjährige Versuch der "Freien Nationalisten" um Steffen Hupka, in Frankfurt am Main demonstrieren zu wollen, ist in fast schon bemitleidenswerter Form kläglich gescheitert. Nun wird über die Einschätzung dieses Ereignisses diskutiert.

Wir schlagen vor, in den Schlussfolgerungen vor allem das politische Verhalten der Stadt Frankfurt im Vorfeld des 1. Mai und das Verhalten der Polizei am 1. Mai zu kritisieren. Denn in den Medien wird das Ausbleiben der Nazis in Fechenheim von einigen als Sieg der Linie des "Viererbündnisses" (Nazidemonstration nicht verbieten, Anmeldung öffentlich verschweigen), ja gar als Erfolg des "Wegtolerierens" der Nazis (Frankfurter Neue Presse, 2. Mai) verkauft. Demgegenüber wollen wir feststellen:

Die mancherorts zu lesende Vermutung, bei dem ins Wasser gefallenen Naziaufmarsch in Frankfurt-Fechenheim habe es sich um ein von vornherein so geplantes Manöver Steffen Hupkas und seiner Leute gehandelt, ist mit Sicherheit falsch, auch wenn sie zwischenzeitlich von den arg gebeutelten Braunen selbst so verbreitet wird, um ihre Blamage am 1. Mai zu bemänteln. Man sollte dem nicht auch noch Vorschub leisten.

Tatsache bleibt: am 1. Mai waren ab ca. Mitternacht (!) Polizisten in Fechenheim im Einsatz, die die Nazi-Route schützen sollten. Ihre Gesamtzahl belief sich nach unseren Informationen insgesamt auf 23 Hundertschaften, einschließlich einer Spezialeinheit aus Bayern und Verstärkungen aus Nordrhein-Westfalen. Wasserwerfer, Hundestaffeln, berittene Einheiten (mindestens acht Pferde mit jemandem drauf), jede Menge Absperrgitter, Stacheldraht, diverse Dokumentationstrupps usw. standen bereit.

Die ersten Platzverweise auf der Demoroute, u.a. für eine über siebzigjährige Fechenheimer Sozialdemokratin, deren Angehörige 1933 von der SA malträtiert worden waren,setzte es bereits um drei Uhr morgens, also 9 Stunden (!!) vor Beginn des Faschistenauftritts. Später gab es eine große Zahl von Personenfeststellungen und Platzverweisen, Menschen wurden durchsucht, fotografiert, gefilmt, in wenigen Fällen festgenommen, die übrigen zum Teil über längere Strecken von Polizei eskortiert - dies zu einem Zeitpunkt, als von NazidemonstrantInnen weit und breit nichts zu sehen war.

Dieser Aufwand an einem Tag, an dem das Bundesland Hessen geschätzte 1000 Polizeibeamte als Verstärkung zu Einsätzen bei Nazi-Demonstrationen nach Berlin und Halle geschickt hat, an dem der Bundeskanzler und DGB-Chef Sommer in bzw. bei Frankfurt auftraten, an dem das jährliche Superspektakel des Radrennens "Rund um den Henninger-Turm" und zum guten Schluss auch noch eine Hausbesetzung stattfanden, ist seitens der Polizei nicht zum Spaß betrieben worden. Nach den Erfahrungen der erfolgreichen Verhinderungen von Faschistenumtrieben in Frankfurt am 1. Mai 2001 und 2002 wollten sie diesmal unbedingt dem "Recht" der Nazis auf ihr von der Stadt widerspruchslos genehmigtes und von den Behörden vor der Öffentlichkeit verschwiegenes Auftreten Geltung verschaffen.

Trotz eines nur kurzen Mobilisierungsvorlaufs von nur einer Woche aufgrund der behördlichen, von allen vier Parteien des "Römerbündnis" (SPD, CDU, FDP, GRÜNE) getragenen Geheimhaltungspolitik ist es uns gelungen, mit am Schluss insgesamt etwa 700 Leuten auf der Demoroute der Nazis präsent zu sein. Es war sehr bald absehbar für die Nazis, dass Fechenheimerinnen und Fechenheimer, die dortige SPD, die Kirchengemeinden, der Moscheeverein, Leute von der dortigen Freiwilligen Feuerwehr, Betriebsräte der in Fechenheim ansässigen Industrie, aber auch die Frankfurter autonomen antifaschistischen Gruppen und die Anti-Nazi-Koordination an diesem Tag in Fechenheim gemeinsam auf der Matte stehen würden, wie es dann ja auch geschah. Das war der Grund der Absage Hupkas und des Ausbleibens der Faschisten.

Zur Erinnerung und Verdeutlichung: 2001 kamen sie mit ca. 800 Leuten an den Dornbusch und konnten nicht marschieren. 2002 hatten sie mit ca. 400 Leuten in Fechenheim das gleiche unrühmliche Erlebnis. Dieses Jahr kam Hupka erst gar nicht. Seine aus dem Jahre 2001 stammende großmäulige Sammelanmeldung unter dem Titel "Frankfurt am Main ist unsere Stadt" für Maidemonstrationen bis zum Jahre 2005 liegt der Stadt vor, und wir alle demonstrierten am Schluss auf der von ihm angemeldeten Route.

Das sind die Fakten. Sie geben nicht zu Euphorie Anlass, aber wir sollten uns unsere eigenen Erfolge nicht kleinreden (lassen). Das Erfolgsrezept hierfür ist die nun zum zweiten Mal praktizierte antifaschistische Aktionseinheit der Bürgerinnen und Bürger vor Ort mit sehr verschiedenen Gruppierungen z.B. aus dem kirchlichen, gewerkschaftlichen, sozialdemokratischen, kommunistischen und anarchistischen Bereich, die wir weiterentwickeln, verbreitern und zu weiterem entschiedenen und aktiven Auftreten nutzen werden - nicht zuletzt auch jetzt, nach dem 1. Mai, wo es nach meiner Ansicht darum gehen muss, den Komplott des Tolerierens und Verschweigens eines von Hupka geplanten Aufmarsches durch die Stadt aufzudecken und zu veröffentlichen.

Denn wozu es führen würde, die Nazis zu tolerieren und gewähren zu lassen, das konnte man am vergangenen 1. Mai in Halle sehen. In Frankfurt wird das nicht gelingen, auch wenn die VertreterInnen von SPD, CDU, FDP und GRÜNEN weiter bei ihrer Haltung des Tolerierens und Verschweigens künftiger Nazidemonstrationen bleiben sollten - die selben politischen Kräfte also, die ansonsten der Meinung sind, schon das Wegwerfen von Zigarettenkippen oder das Sprühen von Graffitis müsse mit einer Politik des "Zero Tolerance" bekämpft und bestraft werden.

Wir fragen hiermit öffentlich die zuständigen Frankfurter Behörden und die VertreterInnen des "Viererbündnis" aus SPD, CDU, FDP und GRÜNEN

Seit wann war den Behörden der Stadt bekannt, dass es auch in diesem Jahr wieder einen Nazi-Aufmarsch in Frankfurt geben würde? Wann wurde der Beschluss gefällt, in diesem Jahr keinen Verbotsantrag gegen diese Anmeldung zu stellen? Wer war in diese Entscheidung einbezogen? Wann fiel der Beschluss, die Demonstrationsroute wiederum nach Fechenheim zu verlegen? Warum wurden trotz der allseits positiv bewerteten Arbeit der DemonstrationsbeobachterInnen im vergangenen Jahr in diesem Jahr keine DemonstrationsbeobachterInnen benannt? Warum hat die Stadt Frankfurt mit Steffen Hupka widerspruchslos einen Anmelder akzeptiert, der im vergangenen Jahr vom VGH Kassel ausdrücklich als Versammlungsleiter ausgeschlossen worden war (vgl. http://www.hr-online.de/fs/hessenschau/topthema/archiv30042002.html)? Wer trägt die Kosten für den Polizeieinsatz gegen die von Hupka angemeldete Demonstration, die dieser selbst im Lauf des späten Vormittags am 1. Mai zurückzog? (Wir erinnern daran, dass bei anderer Gelegenheit ja auch versucht wurde, die Kosten für polizeiliches Tun nach dem sog. Verursacherprinzip DemonstrantInnen anzulasten: € 56,- "Wegtragegebühr" pro Nase für die Teilnahme am "Aufstand er Anständigen" während des 1. Mai 2001...) Wie gedenkt die Stadt künftig mit Demonstrationsanmeldungen Steffen Hupkas umzugehen? Warum wurden in Fechenheim bereits ab 3 Uhr morgens, also 9 Stunden vor Beginn der Demonstrationszeit der Nazis (12 - 16 Uhr) Platzverweise für antifaschistische DemonstrantInnen erteilt? Halten die Behörden ein solches Vorgehen für verhältnismäßig? Halten die Behörden den Polizeieinsatz von Hundestaffeln, berittenen Polizeikräften, Wasserwerfern, gepanzerten Räumfahrzeugen, Stacheldraht, ein Einsatz, der sich nach Lage der Dinge nur gegen die demokratischen GegendemonstrantInnen richten konnte, für verhältnismäßig? Warum hat die Polizei den Zugang zu dem ordnungsgemäß angemeldeten und genehmigten Ökumenischen Gottesdienst in Fechenheim massiv behindert, in dem sie BesucherInnen des Gottesdienstes bei Straßensperren an der Hanauer Landstraße, an der Vilbeler Landstraße und andernorts erklärte, der einzig zulässige Weg zu diesem Gottesdienst führe über die Carl-Ulrich-Brücke? Und selbst dort konnten wartende GottesdienstteilnehmerInnen nur nach dringenden Nachfragen bei der Polizeiführung passieren!

Wir verlangen eine baldige Antwort auf diese Fragen. Und:

Wir fordern einen Grundsatzbeschluss der Stadtverordnetenversammlung, dass künftig faschistische, rassistische und antisemitische Kundgebungen in Frankfurt am Main generell unerwünscht sind. Wir fordern, die Kosten für den durch die An- und Abmeldung Hupkas verursachten Polizeieinsatz diesem selbst in Rechnung zu stellen. Wir fordern, dass künftig eventuell eintreffende Anmeldungen von faschistischen Kundgebungen der demokratischen Öffentlichkeit Frankfurts bekannt gegeben werden.

Marie-Luise Leberke - Hans Christoph Stoodt - Klaus Willkomm-Wiemer Sprecherin / Sprecher

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Antifa