Zur Frankfurter Haushalts- und Schulpolitik

<p>Unterlagen zur Pressekonferenz der GEW anlässlich der Frankfurter Haushaltspolitik, 23. April 2002

Die Frankfurter Bildungspolitik ist widersprüchlich, intransparent und sucht nicht die Zusammenarbeit mit den Bildungsexperten vor Ort.
Äußerst spärlich und widersprüchlich erfahren die Bildungseinrichtungen bildungspolitische Weichenstellungen fast nur aus der Presse. Meist sind es die unangenehmen, dort wo die Stadt sich aus der Bildungsverantwortung zurückziehen will (Beispiele SEP-B, Ostend, Nachmittagsangebote, VHS, die Planungen für die Europaschule in der Nordweststadt.) Auch der Schulausschuss als Expertengremium des Stadtparlaments wird aus unserer Sicht ausgesprochen knapp gehalten mit aktuellen und umfassenden Informationen. Diese Politik provoziert zusätzliche Frustration und teilweise auch Verbitterung

Die GEW fordert alle Formen von Transparenz und feedback zu nutzen: das heißt so viele Runde Tische wie möglich, den Beirat der VHS, die Schulkommission, die Personalräte und Schulkonferenzen!

In Frankfurt hat die Bildung nicht Vorrang vor anderen Investitionen; die PISA-Debatte der Bildungspolitiker ist eine Scheindebatte: dies zeigt insbesondere die verworrene Einführung des "ganzheitlichen Nachmittagsangebots an Frankfurter Schulen":


bereits lange als Wahlkampf-Gag in der Öffentlichkeit: bisher kein Konzept entwickelt, Fragen geklärt, Problemlösungsangebote selbst die Schulen, die sich dafür interessieren, wissen noch nichts Genaues Vorbehalte der meisten Schulleitungen wegen ungeklärter Probleme (Arbeitsverträge, Koordination, Krankheitsvertretung etc.) Grüne auf Landesebene lehnen Wolff-Konzept ab ("Billig-Lösung", schulpolitische Magerkost", "dürftiger als dürftig" (Priska-Hinz), während sich die Grünen in Frankfurt an das CDU-Modell anlehnen. Obwohl eine Handvoll Schulen in ihren Betreuungsanstrengungen eine Verbesserung erfahren, bleibt gleichzeitig eine entscheidende Weichenstellung in Richtung Ganztagsschule auf kommunaler Ebene aus. Auch von den Parteien, die damit bereits den Landtagswahlkampf ein-geleitet haben, kommt hier in Frankfurt nichts! Auch das breit propagierte verpflichtende Kindergartenjahr lässt sich mit 20 neuen ErzieherInnenstellen sicher nicht bewältigen.

Auch die medienwirksam angekündigte sprachliche Frühförderung in Grundschulen und Kindergärten wird mit Billigstlösungen durchgeführt und zwar nicht nur was die Finanzierung betrifft, sondern auch hinsichtlich der Qualität: schnell "qualifizierte" Honorarkräfte (Mütter, Väter) sollen den Kindern über sprachliche Hürden helfen, die immerhin über ihr Einstiegsalter in die Schule entscheiden.

Vor allem: Der Magistrat als Ganzes lässt keine gesamtstädtische investive Bildungspolitik erkennen. Bis auf das technokratische 30-Mio-€-PC-Programm für die nächsten 5 Jahre antwortet Frankfurt mit Bildungskürzungen auf breiter Front.

Frankfurt liefert sich im Schulausschuss eine kleinliche ideologische Auseinandersetzung um eine längst überfällige Sekundarstufenschule im Frankfurter Norden. Dies geschieht Jahr für Jahr auf dem Rücken derjenigen Schüler, die wie auf dem Viehmarkt jedes Jahr in diverse Schulen verschoben anstatt stadtteilnah gefördert werden. Allein 130 BewerberInnen wurden von der ERS-II abgelehnt - trotz der unerträglichen 8-Zügigkeit. Es war jeder, die es wissen wollte, seit langem bekannt, wurde aber nicht zur Kenntnis genommen, dass das Kultusministerium die Schule deshalb nicht genehmigen wolle, weil es in Frankfurt insgesamt genug Schulraum gebe. Was taugt eine Vierer-Koalition, wenn gemeinsam gefasste Beschlüsse von Parteimitgliedern in Wiesbaden anschließend torpediert werden. Hier ist anzusetzen! Jetzt die Pferde zu wechseln und mit einer neuen Schulform ganz von vorne zu beginnen, riecht förmlich danach, Investitionsgelder einzusparen (wie von CDU und Grünen gemeinsam ursprünglich beantragt) und alles auf die lange Bank zu schieben.

Im letzten Schulausschuss vor der Verabschiedung des Haushalts 2002 blieben mehr Fragen offen als beantwortet wurden:
Während man sich bei den 3 Turnhallen mit der Begründung der Olympiabewerbung schnell einig war, tat man sich bei der Toilettensanierung für den Kinderhort an einer Grundschule ausgesprochen schwer. Die Kürzung der Bauunterhaltung führt in der Praxis zu erheblichen Mehrausgaben auf mittlere Sicht, weil Sanierungsvorhaben gestückelt werden, was die Kosten in die Höhe treibt. 18-mal wurden Beschlüsse "im Rahmen vorhandener Haushaltsmittel" gefasst und 25-mal wurden beantragte Investitionen auf den "Verwaltungsweg" verwiesen, was ebenfalls eine parlamentarische Beerdigung dritter Klasse bedeutet.

PISA hat eine unzureichende Bildungsfinanzierung für Deutschland festgestellt. Dies gilt in besonderem Maße für die Kommunen. In Frankfurt sind in den 90er Jahren die Schulinvestitionen verhältnismäßig hinter den Gesamtinvestitionen zurückgeblieben. Wenn es - wie im letzten Schulausschuss geschehen - von der Schuldezernentin schon als Erfolg verkauft wird, dass die Schuletats dieses Jahr statt um 10% "nur" um 6% gekürzt werden (und um weitere 5% nächstes Jahr), zeigt dies, dass die Maßstäbe verloren gegangen sind. Wir können in diesem Zusammenhang nur immer wieder an die extrem niedrige Beteiligung an der letzten Kommunalwahl erinnern.

Schulbudgetkürzungen heißt den Schulen den Boden unter den Füßen wegzuziehen: Wenn den Schulen immer mehr aufgebürdet wird, eine Hausaufgabenhilfe hier, eine Mahlzeit dort, ein integrierendes Angebot, wenn Schulen gleichzeitig sich zunehmend um Gebäudesanierung, Reinigung und IT-Wartung und Betreuung selbst kümmern müssen, dann sind Budgetkürzungen tödlich. Wir verstehen in dieser Lage nicht, weshalb sich das grüne Dezernat den Vorschlägen aus SPD und CDU verschließt, den IT-Support vor Ort an den Schulen endlich zu gewährleisten und lieber weniger Geräte anzuschaffen als auf Investitionsruinen sitzen zu bleiben. Weniger wäre hier mehr!

Als Abgesang auf die Ära Ebeling und ihr Konzept des Eigenbetriebes VHS muss man die neuerlich presseöffentlich ausgebrochene Diskussion um Personalabbau und Angebotsreduzierung begreifen. Die Rede von der "zu teueren VHS", die kontinuierlich durch Angebotsabbau, Teuerung und den Verlust an Teilnehmern, zu teuer gemacht wurde, zielt darauf, die VHS wie die städtischen Bühnen in eine GmbH zu überführen, um Personal entlassen und den Tarifvertrag kündigen zu können (auch dieses Szenario ist nicht neu). Hier erweist sich das politische Gerede von der Notwendigkeit lebenslangen Lernens und Klagen über den Mangel an qualifiziertem Personal als doppelt scheinheilig: Immer höhere Gebühren die dem Weiterbildungswilligen aufgebürdet werden und immer weniger öffentliche Bildungsangebote. Und dies alles, obwohl die VHS bereits in den vergange-nen Jahren enorme Kürzungsleistungen (kumulierte Einspar-Effekte in Höhe von rund 60 Millionen Mark plus einem Personalabbau von 20% fester Stellen und einem 30% Abbau der Kursleiterinnen und Kursleiter von 1992 bis 2001) der sich unsererseits nicht quantifizieren lässt) erbracht hat.

Bevor Frankfurt weiter "spart", muss eine Bilanz der bisherigen "Konsolidierungs"versuche erfolgen - und muss die Frage beantwortet werden, für wen ge"spart" wird. Um wem es nutzt. Frankfurt muss sich endlich um die Sanierung seiner Finanzen kümmern. Und da waren die Senkungen des Gewerbesteuerhebesatzes in den letzten Jahren ganz offensichtlich kontraproduktiv. Wenn Frankfurt einerseits rund 180 Mio € Zinsen pro Jahr an die Banken zahlt, diese aber keinen Cent an Steuern, dann muss diese Schieflage endlich in dieser Stadt thematisiert werden. Wir regen an, über ein Zinsmoratorium nachzudenken, um endlich die nötigen Investitionen in die Bildung finanzieren zu können. Wir vermissen Initiativen der Römer-Koalition zur Erhöhung der Gewerbesteuer. Sollte man angesichts des Niedergang der Gewerbesteuer nicht wenigstens wieder auf die 515%-Punkte Hebesatz von 1999 zurückgehen? Wir vermissen den lauten Protest gegen die Bonner Steuerpolitik, die erst die Grundlage für diese Schieflage gelegt hat.

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