Referentenentwurf des GKV-Finanzierungsgesetz: Einstieg in Kopfpauschale

In seinem im August veröffentlichten Entwurf eines Gesetzes zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz) macht das Bundesgesundheitsministerium wahr, was seit dem Koalitionsvertrag angekündigt war: den Einstieg in Kopfpauschale.

Nach der Wiederanhebung des Beitragssatzes im nächsten Jahr auf 14,6 Prozent (plus 0,9 Prozentpunkte nur für die AN) sollen die Arbeitgeberbeiträge bei 7,3 Prozent eingefroren werden, damit die Ausgabensteigerungen im Gesundheitswesen in Zukunft „nicht mehr zu steigenden Lohnkosten führen“ werden. Alle weiteren Ausgabensteigerungen sollen in Zukunft durch einkommensunabhängige, also pauschale und nach oben offene Zusatzbeiträge der Versicherten finanziert werden. Dies bedeutet den Einstieg in eine Kopfpauschale.
 
Die Mehrbelastungen der Versicherten durch Zusatzbeiträge sollen zwar sozial ausgeglichen werden, wenn zwei Prozent des Bruttoeinkommens überschritten werden. Maßgeblich hierfür sollen jedoch nicht die tatsächlichen pauschalen Zusatzbeiträge der Krankenkassen sein, sondern ein geschätzter durchschnittlicher Zusatzbeitrag, der – über alle Kassen hinweg – theoretisch nötig wäre, um ein zu erwartendes Defizit zu decken. Wenn eine Kasse einen überdurchschnittlichen Zusatzbeitrag erhebt, kann dies für den individuellen Versicherten bedeuten, dass er weit mehr als zwei Prozent seines Bruttoeinkommens bezahlen muss. Die Mehrbelastungen durch Zusatzbeiträge werden also nicht realistisch ausgeglichen, sondern nur anhand eines Durchschnittswertes – und dies auch erst ab einer Grenze von zwei Prozent des Einkommens.
 
Der vdää lehnt diese Reform ab, weil sie niedrige Einkommen überdurchschnittlich belastet und mit der Beibehaltung der Beitragsbemessungsgrenze nach wie vor besser Verdienende entlastet. Der versprochene soziale Ausgleich ist kein Ersatz für das bewährte Solidarsystem einer paritätisch finanzierten gesetzlichen Krankenversicherung. Wir lehnen Zusatzbeiträge ab, die allein von den Versicherten zu tragen sind. Und wir lehnen das Einfrieren der Arbeitgeberbeiträge ab, da die Arbeitgeber dann nicht mehr an den Steigerungen der Gesundheitsausgaben beteiligt werden und zukünftig noch weniger Interesse haben an Kostenersparnis durch bessere Arbeitsbedingungen. Das Gesundheitssystem darf nicht wirtschaftspolitischen Zwecken wie der Senkung der so genannten Lohnnebenkosten untergeordnet werden. „Wenn man die Arbeitgeber aus der Verantwortung entlässt, sollten sie auch die Konsequenzen ziehen und nicht mehr paritätisch in den Kassengremien vertreten sein“, so der vdää-Vorsitzende Prof. Wulf Dietrich.
 
Während die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf bei „Alternativen“ nur: „keine“ schreibt, wissen wir – wie viele andere Menschen – eine: die solidarische Bürgerversicherung, die alle Einkommen und alle Einkommensarten gleichmäßig belastet. Dies wäre nicht nur eine gerechte Finanzierung der GKV, sondern würde auch zu sinkenden Beitragssätzen führen. Außerdem gibt es immer noch viele Reserven im System, mit denen man Kostensteigerungen eindämmen und schädliche Überversorgung abbauen könnte.
 
Wir widersprechen deshalb ausdrücklich Bundesärztekammer-Präsident Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, der diese Reform in einer mit dem Bundesministerium für Gesundheit gemeinsam herausgegebenen Pressemitteilung am 27. August als „wichtigen und richtigen Schritt“ begrüßt hat. Er spricht nicht für alle ÄrztInnen.
 
 
Prof. Dr. Wulf Dietrich (Vorsitzender des vdää)
Dr. Nadja Rakowitz (Geschäftsführerin)


Presseerklärung des Vereins Demokratischer Ärztinnen und Ärzte, Maintal, 10.09.2010

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