22. August: Bundesweites Nazitreffen in Bingen, getarnt als “Böhse Onkelz - Nacht”

Am morgigen Freitag, den 22. August ab 21 Uhr, werden Neonazis aus dem gesamten Bundesland Rheinland-Pfalz, aus dem Rhein-Main-Gebiet und dem Rhein-Neckar-Raum im ehemaligen Riehtberg-Casino in Bingen-Gaulsheim erwartet. Stattfinden soll dort laut Ankündigung eine „Onkelz-Nacht“, eine Party von Fans der Rockband „Böhse Onkelz“ (1).

Eine breite, öffentliche Bekanntmachung der Veranstaltung ist kaum feststellbar. Stattdessen wird die Party massiv in Verteilern der extremen Rechten, u.a. der NPD, und in rechten Foren beworben. Dort wird auch darauf hingewiesen, dass “Kameraden”, also organisierte Neonazis, an der Ausrichtung dieser Veranstaltung führend beteiligt sein sollen. Erwartet werden mehrere hundert Besucher, die jedoch nicht ausschließlich der extremen Rechten zuzurechnen sein werden. Denn zwischen den extrem rechten Cliquen und Gruppen der Region und sich eher als unpolitisch verstehenden Fans der “Böhsen Onkelz” bestehen zum Teil enge soziale Kontakte und eine gemeinsame „Partykultur“.

„Böhse Onkelz“-Partys sind häufig Treffpunkt für Personen aus der extremen Rechten. Die Stadt Taunusstein beispielsweise hat im Jahre 2007 angeordnet, dass in kommunalen Einrichtungen keine Partys und Konzerte unter dem Motto “Böhse Onkelz” mehr stattfinden dürfen. Zuvor hatten die Sicherheitsbehörden darauf hingewiesen, dass auf vorausgegangenen “Böhse Onkelz“-Partys in Taunusstein zum Teil über 100 Neonazis festgestellt wurden. In Langgöns (bei Gießen) wurde Anfang 2008 der Betreiber einer Diskothek von der Kommune zu einer Konzeptänderung gezwungen, da die Diskothek insbesondere durch „Böhse-Onkelz-Abende“ zum überregionalen Treffpunkt von Neonazis wurde. Ähnliche Beobachtungen wurden in anderen Kommunen gemacht, so auch in Bingen: Am 20. Oktober 2007 verabredeten sich Neonazis aus Kreisen der NPD nachfolgend eines Nazi-Aufmarsches in Frankfurt zu einer „Onkelz-Nacht“ in der mittlerweile geschlossenen Diskothek „Yucatan“ (ebenfalls im ehemaligen Riehtberg-Casino).

Es zeichnet sich ab, dass Neonazis nicht nur - wie bisher geschehen – Böhse-Onkelz-Partys und Böhse-Onkelz-Abende in Musikkneipen oder Diskotheken in großer Anzahl besuchen, sondern dass sie nun stärker dazu übergehen, derartige Veranstaltungen selbst auszurichten. So wurde am 17. Februar 2008 ein Konzert einer „Böhse Onkelz“-Coverband in Karlsruhe vom Wirt der angemieteten Gaststätte abgesagt, nachdem er von AntifaschistInnen darüber informiert worden war, dass es sich beim Veranstalter um einen bekannten Neonazi handelte.
Wir erkennen in der Ausrichtung von „Böhse Onkelz“-Partys eine Strategie von extremen Rechten, Treffpunkte für die eigene Szene und ihr kulturelles Umfeld zu schaffen. Gerade im Rhein-Main-Gebiet ist es ihnen nur schwer möglich, sich ungestört und ungehindert in größerer Anzahl zu treffen, wenn dies als extrem rechte Veranstaltung angekündigt ist. Die Organisierung vermeintlich unpolitischer Events, insbesondere „Böhse Onkelz“-Partys, oder die Vereinnahmung von (nicht von extremen Rechten organisierten) „Böhse Onkelz“-Partys ist ein bisher weitgehend erfolgreiches Mittel, sich unbehelligt von AntifaschistInnen und von Behörden zu versammeln.
Kommunen, Zivilgesellschaft aber auch Verpächter von Lokalitäten müssen sich diesem Problem stellen. Christian Struck, Sprecher des AK Antifa Mainz: „Es darf nicht sein, dass sich Neonazis unter scheinbar ‘unpolitischem’ Deckmantel eine Erlebniswelt und Partykultur verschaffen, darüber ihre Strukturen zusammenhalten und Musikfans aus dem politischen oder sozialen Umfeld ansprechen.“
———————
(1) Die aufgelöste Frankfurter Rockband Böhse Onkelz zählte Anfang der 1980er Jahre zu den Kultbands der extremen Rechten und ist trotz aller Distanzierungen vom rechten politischen Spektrum (ab Ende der 1980er Jahre) bis heute in deren Kreisen beliebt. Große Teile der heute aktiven Neonazis im Rhein-Main-Gebiet waren zumindest in ihrer „Frühphase“ erklärte Böhse-Onkelz-Fans und hegen noch heute Sympathien für die Band.