48 neue Stolpersteine für NS-Opfer in Frankfurt

48 neue Stolpersteine für NS-Opfer in Frankfurt

Am Samstag, 1. Juli, und Sonntag, 2. Juli, werden in Frankfurt an 13 verschiedenen Adressen 48 neue Stolpersteine zum Gedenken an im Nationalsozialismus verfolgte Menschen feierlich enthüllt. Die Gedenksteine werden zuvor in den Gehweg, meist vor dem letzten frei gewählten Wohnort der Opfer eingelassen.

Organisiert werden die Verlegungen von der Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main. Die Finanzierung der Steine erfolgt durch Spenden von über 40 Privatpersonen aus Frankfurt. Alle interessierten Bürgerinnen und Bürger sind herzlich zu den Stolperstein-Enthüllungen eingeladen. An den Zeremonien nehmen auch zahlreiche Nachkommen der Opfer teil, die aus Argentinien, Kanada, den USA und England anreisen. Die Zeremonien werden musikalisch begleitet.

Premiere in Schwanheim

Die Serie der Stolperstein-Enthüllungen beginnt am Samstag um 13 Uhr mit vier Stolpersteinen für die Familie Simon in der Silcherstraße 2 in Schwanheim. Es handelt sich dabei um die ersten Stolpersteine in diesem Stadtteil überhaupt. Erinnert wird an das Zahnarzt-Ehepaar Dr. Johanna und Dr. Georg Simon, die infolge der antijüdischen Verfolgung und Boykotte der Nationalsozialisten gezwungen wurden, ihre Zahnarzt-Tätigkeit in Schwanheim und Sossenheim aufzugeben und mit ihren beiden Kindern nach Argentinien zu fliehen. An der Enthüllung der Steine nehmen Nachkommen der Familie, die teils extra aus Argentinien anreisen, teil. Schwanheim ist damit der 34. Frankfurter Stadtteil, in dem Stolpersteine verlegt wurden.

Zwangsarbeit und kommunistischer Widerstand in Niederrad

In Niederrad werden danach um 13:45 Uhr vor der Goldsteinstraße 149 drei Gedenksteine enthüllt, die an die Zwangsarbeit bei der Niederräder Färberei und Reinigung "Gebr. Röver" erinnern. Hier mussten neben Juden auch Belgier, Franzosen und vor allem Russinnen und Russen bis Kriegsende Zwangsarbeit leisten. Zwei von ihnen, Nikolai Woropaj und Grigorij Juchnizkij kamen wegen "Arbeitsverweigerung" oder "Bummelei" ins Konzentrationslager Buchenwald und wurden dort ermordet.

In der Schwanheimer Straße 67 war der letzte Wohnort von Reinhard Brühl. Er war Kassierer der Niederräder Ortsgruppe der KPD und in einer Widerstandsgruppe gegen die Nazis aktiv. Er wurde am 3. April 1935 wegen "Hochverrats" verhaftet um am nächsten Morgen "erhängt in seiner Zelle" aufgefunden.

Schicksale jüdischer Bewohner von Häusern im Ostend und Westend

Auf Anregung von heutigen Anwohnerinnen wurde von der Initiative Stolpersteine das Schicksal jüdischer Bewohnerinnen und Bewohner mehrerer Adressen im Ostend (am Samstag: Obermainanlage 12 und Ostendstraße 56) und im Westend (Sonntag: Corneliusstraße 9 und 11) recherchiert. Viele Mitglieder der dort lebenden jüdischen Familien wurden deportiert und in den Ghettos und Vernichtungslagern im Osten ermordet.

Nachkommen aus aller Welt ehren die NS-Opfer

Zu den Enthüllungen der Steine für die Familien Straus (So. 11:00, Adalbertstraße 62) und Adler (So. 12:45, Westendstraße 82), die als eng befreundete Familien 1937 und 1939 nach Argentinien flüchten konnten, reisen Kinder und Enkel aus Argentinien und Kanada an. Für die Familie Hochschild/Hirsch (So. 14:30, Im Trutz Frankfurt 36) kommen Angehörige aus England und den USA. Zur Enthüllung der sechs Steine für Riemer (So. 16:10, Fischerfeldstraße 12), die wegen der Corona-Pandemie mehrfach verschoben werden musste, kommen Tochter und Enkelin aus New York.

Jüdische Kulturgeschichte Frankfurts

Am Sonntag um 15:15 werden vier Steine vor dem Haus Eckenheimer Landstraße 80 enthüllt. Sie gedenken der Familie von Leo Horovitz, der als Künstler eine wichtige Rolle im kulturellen Leben der Frankfurter Jüdischen Gemeinde spielte. Er war der Sohn des bedeutenden Rabbiners Markus Horovitz und fertigte als Silberkünstler und Bildhauer silberne Kultgegenstände und säkulare Objekte an, von denen sich heute viele in den Sammlungen des Jüdischen Museums und des Historischen Museums Frankfurt befinden. Außerdem schuf er Denkmäler und Grabsteine auf den Jüdischen Friedhöfen Frankfurts. Leo Horovitz konnte 1939 mit seiner Frau Recha und den Kindern Hanna und Markus nach England fliehen und entging so dem Tod. An der Enthüllungszeremonie nehmen offizielle Vertreterinnen und Vertreter der Jüdischen Gemeinde Frankfurt und der "B'nai B'rith Frankfurt Schönstädt Loge" teil.

Das Projekt Stolpersteine

Stolpersteine sind 10 x 10 x 10 cm große Betonquader mit einer auf deren Oberseite verankerten Messingplatte, in die die Namen und Daten von Menschen eingeschlagen sind, die während der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden, aus Deutschland fliehen mussten oder die Lager überlebten. Sie werden in die Bürgersteige vor den letzten frei gewählten Wohnorten der Opfer eingelassen. Seit 2003 wurden in Frankfurt bereits über 1.900 Stolpersteine verlegt, insgesamt hat der Künstler und Erfinder der Stolpersteine, Gunter Demnig, schon mehr als 100.000 Stolpersteine in mehr als 1.200 Städten und Gemeinden in Deutschland und 30 europäischen Ländern verlegt. Die Stolpersteine gelten als das größte dezentrale Mahnmal der Welt.

Biografien und Zeitplan

Die Schicksale und Biografien der Opfer sind den angehängten Infoblättern zu entnehmen.
Die Infoblätter und der detaillierte Zeitplan der Verlegungen finden sich auch auf der Webseite der Initiative Stolpersteine unter: https://www.stolpersteine-frankfurt.de/de/aktuell

Pressemitteilung 28.6.2023