AG Georg Büchner zum Beschluss des Landesparteitages der LINKEN / Interview mit Wolf Wetzel

Die hessischen LINKEN werden die Proteste am 18. Oktober in Frankfurt gegen die Akteure und Profiteure der Wirtschafts- und Finanzkrise unterstützen. Nach engagiert geführter Debatte verabschiedeten die Delegierten einstimmig einen entsprechenden Antrag. In Redebeiträgen kündigten zahlreiche Delegierte an, nachhaltig vor Ort für die Aktion zu mobilisieren.

Ulrich Wilken (Landesvorsitzender der LINKEN Hessen) dazu: »Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit, gegen den menschenverachtenden und sozial ungerechten Umgang mit der Wirtschafts- und Finanzkrise auf die Straße zu gehen.«
Die ebenfalls anwesende Bundestagsabgeordnete Christine Buchholz pflichtet bei: »Die Aktionen am 18. Oktober sollen ein kraftvoller Auftakt und Höhepunkt für die Proteste im Heißen Herbst werden. Den wichtigen Aktivitäten der Gewerkschaften und Sozialbündnisse können die Aktionen in Frankfurt neue Impulse verleihen.«

Die AG Georg Büchner freut sich über die Unterstützung der hessischen Linkspartei und rechnet in den nächsten Wochen mit ähnlichen Beschlüssen zahlreicher Organisationen und Initiativen.
Außerdem teilen wir mit, dass wir bislang zwei Kundgebungsorte in der Frankfurter City angemeldet haben: Rossmarkt und Willy-Brandt-Platz.
In diesem Zusammenhang verweist der SprecherInnenkreis auf den auf der Aktionskonferenz beschlossene Aufruf (http://www.georg-buechner.org/2010/08/aufruf-zur-bankenblockade-am-18-oktober/).

SprecherInnenrat der AG Georg Büchner
Pressemitteilung der AG Georg Büchner zum Beschluss des Landesparteitages der LINKEN - Hessen vom 28.-29. August 2010

 

»Wir wollen ökonomischen Schaden verursachen«

Bankenblockaden als Überwindung der Symbolpolitik? Ein Gespräch mit Wolf Wetzel

Herbert Wulff

Wolf Wetzel ist einer der Sprecher der »Aktionsgruppe Georg Büchner« und Mitorganisator der Aktionskonferenz zur Vorbereitung von Bankenblockaden in Frankfurt am Main

Alle reden vom Aufschwung, Sie von der Krise. Warum?

Selbst im Krieg gibt es für bestimmte Menschen Aufschwung: Diejenigen, die daran verdienen und nicht in die Schlacht ziehen müssen. Für eine kleine, radikale Minderheit geht es immer bergauf. Mit der Mehrheit der Menschen hat der Aufschwung, von dem derzeit in den Medien die Rede ist, nichts zu tun. Zudem liegen Milliarden an toxischen Papieren in sogenannten Bad Banks, also staatlichen Banken, die irgendwann völlig wertlos werden. Allein 230 Milliarden Euro von der Hypo Real Estate. Die Lasten dafür soll die Masse der Bevölkerung tragen.

Unter dem Motto »Wir zahlen nicht für eure Krise« haben in den vergangenen Monaten mehrere Demonstrationen stattgefunden. Wirklich Fahrt aufgenommen hat die Bewegung gegen den Sozialabbau aber noch nicht. Welche Gründe sehen Sie dafür?

Als diese Demonstrationen in Berlin, Frankfurt und Stuttgart stattfanden, war bereits klar: Die Parole »Wir zahlen nicht für eure Krise« ist zwar richtig, wurde aber längst von der Realität überholt. Die Regierung hat schon klargemacht, daß die Lasten des Finanzkriegs von denjenigen getragen werden müssen, die ihn nicht verursacht haben. Wir können samstags mit radikalen Parolen gegen den Kapitalismus von A nach B demonstrieren. Wenn das den Kapitalismus real nicht stört, trägt das vielleicht zur Vielfalt der Demokratie bei, aber nicht zur Glaubwürdigkeit dessen, was auf den Transparenten steht. Uns geht es deshalb darum, tatsächlichen ökonomischen und politischen Schaden zu verursachen.

Entsprechend heißt es im Aufruf zur Konferenz: »Wir müssen die Symbolik hinter uns lassen.« Aber sind zeitlich begrenzte Bankenblockaden nicht ebenso Symbolpolitik wie Demonstrationen?

Diesen Vorwurf habe ich während meiner 40jährigen politischen Aktivität schon oft gehört: Wenn man einen Bauzaun niederreißt, sei das nur symbolisch, weil das, was dahinter ist, stehenbleibt. Wenn man ein Regierungsgebäude abbrennen würde, würden die ganz klugen Leute sagen: Aber damit ist das System noch nicht beseitigt. Wir wollen an einem Arbeitstag Tausende Angestellte einer Bank daran hindern, ihrer gesellschaftlich ruinösen Arbeit nachzugehen. Ich kann mich nicht daran erinnern, daß diejenigen, die uns wegen der Symbolik kritisieren, so etwas in den vergangenen 30 Jahren auf die Beine gestellt hätten.

Unter den gegebenen Bedingungen ist so eine Aktion eine gigantische Aufgabe, denn die Stimmung ist immer noch sehr widersprüchlich. Auf der einen Seite trifft die Parole »Es reicht« den Nerv ganz vieler Menschen. Andererseits sind viele noch nicht bereit, den Schritt zu tun, für die Veränderung praktisch aktiv zu werden. Alle wissen: Es wird kein Spaß sein, tatsächlich eine Großbank im Zentrum des Finanzkapitals zu blockieren.

Ist es realistisch, mit so einer Aktion ökonomischen Druck auszuüben?

Wir machen das ja nicht nach Feierabend oder am Samstag, sondern wir stören an diesem Tag den kapitalistischen Verwertungsprozeß. Daß das real schädigt, werden wir im Vorfeld medial mitbekommen. Wir laden alle ein, erstens mitzumachen und zweitens, das an anderen Tagen in anderen Städten zu wiederholen. Ein erfolgreiches Exempel am Tag X in Frankfurt kann dazu Mut machen.

Wir wollen uns mit allen Gruppierungen und Organisationen absprechen, die diesen heißen Herbst mitgestalten – vom ATTAC-Bankenaktionstag am 29. September bis zu den Protesten gegen den Atomtransport in Gorleben. Wir stellen das nicht in Konkurrenz zueinander oder sagen: Wir haben das Tor zur Wahrheit, die Bastille entdeckt, die gestürmt werden muß. Es muß gesellschaftliche Kämpfe an vielen Punkten geben, die sich gegenseitig mitdenken und miteinander verbunden werden.

 

Den Artikel finden Sie unter: http://www.jungewelt.de/2010/08-23/066.php

(c) Junge Welt 2010