Ärzteblattuntersuchung zeigt: Fast der Hälfte aller Kassenpatienten werden IgeLeistungen angeboten - vdää fordert: IGeL-freie Kassenpraxen

Im Deutschen Ärzteblatt vom 26. Juni wurde eine Umfrage an 2.100 gesetzlich Versicherten zur Häufigkeit des Angebotes von so genannten Individuellen GesundheitsLeistungen (IGeL) bei ihren Kassenärzten veröffentlich. Danach sind in den vergangenen zwölf Monaten über 40 Prozent der Versicherten IGeLeistungen angeboten worden. Diese alarmierenden Zahlen belegen, dass IGeL keine Randerscheinungen mehr sind, sondern sie das Sachleistungsprinzip – also die Regel, dass nur die Kasse bzw die KV, nicht aber der Patient, mit dem Kassenarzt abrechnet – zunehmend untergraben.

Es wird geschätzt, dass mit diesen Leistungen zwischen einer und drei Milliarden Euro Umsatz gemacht wird.
 
Eine bis drei Milliarden Euro für Leistungen, die niemand kontrolliert, deren Indikation nicht überprüft wird, deren Nutzen oder Schaden für den Patienten nicht bekannt ist.
 
Seit einigen Jahren schon bieten Kassenärzten ihren Patienten Leistungen an, die nicht von den gesetzlichen Krankenkassen vergütet werden und daher von den Patienten bar bezahlt werden müssen – die IGeLeistungen. Den Begriff prägte die Kassenärztlichen Bundesvereinigung im März 1998, als sie – im Kontext der Kostendebatte im Gesundheitswesen und als Reaktion auf die Furcht vor sinkenden Honoraren der Vertragsärzte – eine offizielle Liste mit Individuellen Gesundheitsleistungen herausgab, die, so der damalige KBV-Vorsitzende W. Schorre, eindeutig darauf gerichtet sei, „die Eigenverantwortung des Versicherten für individuelle Zusatzwünsche zu bekräftigen und auf diese Weise das System der Gesetzlichen Krankenversicherung von Ausgaben zu befreien“ – und den Ärzten ein lukratives Zusatzgeschäft zu ermöglichen, müsste man kritisch hinzufügen. Obwohl eine medizinische Indikation meist nicht vorliegt und ein Gesundheitsnutzen für den Patienten nicht belegt ist, sind diese Angebote von der Umsatzsteuer befreit.
 
Direkte Bezahlung von Leistungen verführt die Ärzte zur Erbringung von unnötigen Leistungen. Sie untergräbt das Vertrauensverhältnis von Arzt und Patient. Kassenärzte aber sollten ihre Leistungen unabhängig von finanziellen Interessen erbringen können. Der Patient muss vom behandelnden Arzt erwarten können, dass er seine medizinischen Entscheidungen unabhängig von eigenen finanziellen Interessen trifft. Das ist bei IGeL nicht der Fall. Der Arzt ist kein Kaufmann.
 
Deshalb fordert der vdää das Verbot aller IGeLeistungen.
 
Medizinisch notwendige Leistungen müssen von den Kassen übernommen werden. Unnötige Leistungen sind unethisch und sollten nicht erbracht werden. Auch Untersuchungen wie z.B. auf Reisefähigkeit, Tauch- oder Sporttauglichkeit müssen von den Kassen übernommen werden, da die Folgekosten von Reiseerkrankungen oder Sportunfällen auch von den Kassen – also der Versichertengemeinschaft – getragen werden.
 
Viele Kassenärzte sehen nach der Honorarreform in eine unsichere finanzielle Zukunft und intensivieren deshalb das Geschäft mit IGeLeistungen. Es darf aber nicht sein, dass der Patient mit seinem Geld eine verfehlte Honorarpolitik kompensieren muss.
 
Niemand kontrolliert Qualität und Preis dieser Leistungen. Ein Verbot ist allerdings juristisch schwierig umzusetzen. Deshalb ist als Übergang zu fordern, dass auch diese nicht von den Kassen getragenen Leistungen über die Kassenärztliche Vereinigung abgerechnet werden müssen. Nur so kann die Berechtigung der erbrachten Leistungen zumindest in Ansätzen kontrolliert werden. Die Untersuchung des Deutschen Ärzteblatts zeigt, welch erschreckendes Ausmaß dieses Geschäft mit medizinisch oft fragwürdigen Leistungen schon angenommen hat. Die Patienten wurden inzwischen daran gewöhnt, neben Chipkarte auch das Portemonnaie zum Arztbesuch mitzubringen. Sie werden dadurch schon heute darauf vorbereitet, zukünftig weitere Zuzahlungen zu akzeptieren.
 

Deshalb: Bargeld gehört nicht ins Wartezimmer

Keine IGeLeistungen in der Kassenpraxis!

 
Prof. Dr. Wulf Dietrich
Vorsitzender des Vereins Demokratischer Ärztinnen und Ärzte

Presseerklärung des Vereins Demokratischer Ärztinnen und Ärzte, 11. Juli 2009

 

Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte
Geschäftstelle
Kantstr. 10
63477 Maintal
Tel: 06181 - 432 348
Mobil: 0172 - 185 8023
Fax: 01618 - 49 19 35
www.vdaeae.de

Schlagwörter
Soziales