Aufruf zum ersten Jahrestag des Massakers von Kunduz: Schluss mit dem sinnlosen Sterben in Afghanistan! - Appell „Den Krieg in Afghanistan beenden - zivil helfen"

Wer das Ende des Sterbens in Afghanistan will, muss zuerst den Krieg beenden. Inzwischen glaubt ohnehin niemand mehr daran, dass ein militärischer Sieg möglich ist. Mehr als zweitausend tote Soldaten der Interventionsarmeen und 60.000 tote Zivilisten, vor allem Frauen und Kinder, mahnen.

Die Antikriegsstimmung in den westlichen Demokratien wächst. Kanada und die
Niederlande ziehen ihre Truppen ab, andere Staaten erwägen Gleiches. In
Deutschland sind ca. 70% der Bevölkerung gegen den Krieg – aber die
Bundesregierung schert sich nicht darum.

Die NATO ist in Afghanistan zu einem Unsicherheitsfaktor geworden. Ihre
Verantwortlichen reden vom baldigen Abzug und setzen auf „weitermachen“. Im
Jahr 2011, so US-Präsident Obama, würde der Rückzug beginnen. US-
Verteidigungsminister Gates und der US-Oberbefehlshaber der Streitkräfte in
Afghanistan, General Petraeus, haben aber mehrfach deutlich gemacht, dass an
einen Abzug solange nicht zu denken ist, als die „Voraussetzungen“ im Land nicht
gegeben sind. Wie auch immer: Es ist nützlich, an den wahlkampfbedingten
Teilabzug der US-Truppen aus dem Irak zu erinnern. Zurück bleiben Ruinen, bleibt
ein desolates Land und es sind Hunderttausende tote Iraker, Millionen Flüchtlinge
und über 4.400 tote GIs bei einer Billion Dollar Kriegskosten zu beklagen. 

In Afghanistan wurde keines der vorgegebenen Kriegsziele erreicht. Im Gegenteil:
Die Anzahl der zivilen Opfer steigt an. Die Armut wächst, Hunger bedroht mehr als
ein Drittel der afghanischen Bevölkerung, 61% sind unterernährt, die
Lebenserwartung ist auf 43,1 Jahre gesunken, der Zugang zu Trinkwasser ist für
lediglich 13% der Afghanen gesichert. „Nichts ist gut in Afghanistan“. Dieses Wort
von Margot Käßmann findet täglich seine Bestätigung.

Die Bundeswehr wird durch unverantwortliche Regierungs- und
Parlamentsbeschlüsse immer tiefer in die Verbrechen des Afghanistankrieges
verstrickt. Auch sie tötet Unschuldige. Sie erhöht die Anzahl ihrer Truppen und
verstärkt die Kriegshandlungen. Für die mehr als 100 zivilen Opfer des
Bombenangriffs vom 4. September 2009 bei Kunduz zahlt die Bundesregierung
5.000 Dollar (das sind 3.800 EUR) pro betroffener Familie. Ein deutscher Oberst
hatte den verheerenden Angriff angeordnet. Seine Tat bleibt ungesühnt. 

Die Aufstockung der Interventionstruppen wird die militärische Lage nicht 
verbessern, sondern den Widerstand weiter herausfordern. Sämtliche bisherigen
Truppenerhöhungen haben nicht mehr Sicherheit, sondern mehr Widerstand
gebracht. Und auch nach neun Jahren Aufbau und Training von afghanischer
Polizei und Armee ist es nicht gelungen, eine nennenswerte Anzahl geeigneter
Soldaten zu rekrutieren. Auf diese Weise „Sicherheit am Hindukusch“ schaffen zu
wollen, ist Wunschdenken. 

Auch die „zivil-militärische“ Zusammenarbeit ist gescheitert. Soldaten sind dazu da
Krieg zu führen. Das ist etwas anderes als ein Land aufbauen.
Entwicklungsorganisationen und andere zivile Hilfsorganisationen wollen den
Menschen helfen. Helfen und das Land aufbauen ist nur möglich in strikter
Unabhängigkeit von militärischen Aktionen.

Jetzt wurden mehr als 91.000 als geheim eingestuften Dokumente über den Krieg
in Afghanistan durch die Internetplattform Wikileaks veröffentlicht. Sie enthalten
bestürzende Botschaften. Demnach macht eine geheime Mordtruppe „Taskforce
373“ Jagd auf führende Widerständler nach der Kopfgeldjägerdevise „Tot oder
lebendig“. Die Dokumente belegen, dass die Interventionssoldaten bei ihren
rücksichtslosen Bombardements, Stoßtruppunternehmen, Durchsuchungen von
Häusern und Ortschaften sowie bei Gefechten mit Aufständischen zahllose
Zivilisten umbringen. Der Widerstand hat besonders auch im Norden Afghanistans,
wo sich die Bundeswehr befindet, an Einfluss gewonnen. Afghanische Polizei und
Soldaten eröffneten immer wieder das Feuer aufeinander. Zivile Aufbauprojekte
seien häufig Scheinblüten, Korruption auf afghanischer Seite sowie Drogenanbau
und –handel seien weiter ungebrochen.

In Afghanistan geht es in Wahrheit nicht um Menschenrechte und Demokratie,
sondern um machtpolitische und wirtschaftliche Interessen. Letztlich geht es auch
der Bundesregierung darum, in Zentralasien, der rohstoffreichen und
geostrategisch so wichtigen Weltregion, präsent zu sein – frei nach dem Motto:
„Nur wer mit schießt, kann auch mitreden.“ Die für den Krieg Verantwortlichen
wollen mit ihren Propagandalügen die wahren Motive und Absichten verbergen. Auf
der Strecke bleiben die Lebensinteressen der afghanischen Bevölkerung und die
demokratische Kultur hier zu Lande.

Der Krieg wird auch immer teurer. Unser Sozialstaat gerät auch durch den
Afghanistan-Krieg und durch andere Militäreinsätze zunehmend in Gefahr. Die drei
Milliarden Euro Afghanistan-Kriegkosten jährlich, die das Deutsche Institut für
Wirtschaftsforschung unter Berücksichtigung aller Neben- und Folgekosten.
errechnete, müssen zivilen Aufgaben zugeführt werden. So erhielte die verbreitete
Forderung nach Einsparung von Rüstungsmilliarden eine zusätzliche aktuelle
Begründung. Und diejenigen, die nicht für die Kosten der Wirtschaftskrise zahlen zu
wollen, könnten auf diese Einsparmöglichkeit verweisen. 

Am ersten Jahrestag des Kunduz-Massakers fordert die Friedensbewegung
von Bundesregierung und Bundestag, den Krieg in Afghanistan endlich zu
beenden, die Kämpfe unverzüglich einzustellen und mit dem Abzug der
Truppen sofort zu beginnen. Nur so haben Frieden und ziviler Wiederaufbau
eine Chance.


Frankfurter Friedensinitiativen laden ein zur

Informationsveranstaltung zum Jahrestag des Kundus-Massakers

am

Samstag, den 4. September 2010 um 10.00 Uhr

an der Katharinenkirche (Hauptwache) 

 

Wir bitten die friedensbewegten Frankfurterinnen und Frankfurter für diese Aktion zu werben und selbst teilzunehmen.

 
Bundesausschuss Friedensratschlag, Kassel, den 4. September 2010
 
Spenden für die Friedensarbeit (steuerabzugsfähig): 
Konto-Nr. 217001232 bei Kasseler Sparkasse, BLZ 5205053 Stichwort: „Friedensratschlag“

V.i.S.d.P.: Bundesausschuss Friedensratschlag, Germaniastr. 14, 34119 Kassel

UNTERSCHRIFTENLISTE:

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