Aus der Frühzeit des Antifaschismus: 100 Jahre „Weltliga gegen Faschismus"

Antifaschismus begann nicht erst mit der Errichtung und Etablierung faschistischer Herrschaft in den jeweiligen Ländern. Vielmehr versuchten die Kräfte der Arbeiterbewegung präventiv auf den Vormarsch nationalistischer und faschistischer Kräfte zu reagieren.

Die Etablierung der Mussolini-Herrschaft in Italien, das monarcho-faschistische Regime in Bulgarien, das Horthy-Regime in Ungarn und das zunehmend gewalttätige Agieren völkischer und faschistischer Verbände in verschiedenen Ländern, besonders in Deutschland, forderte Reaktionen der Arbeiterbewegung.

In einem eindrucksvollen Referat auf einer Tagung der Kommunistischen Internationale (KI) hatte die deutsche Kommunistin Clara Zetkin im Juni 1923 den Faschismus als eine Bewegung von Hungrigen, Notleidenden, Existenzlosen und Enttäuschten charakterisiert. Ihrem politischen Charakter nach sei diese Bewegung jedoch „der stärkste, der konzentrierteste, er ist der klassische Ausdruck der Generaloffensive der Weltbourgeoisie in diesem Augenblick. Ihn niederzuringen ist eine elementare Notwendigkeit." Die faschistischen Organisationen in den verschiedenen Ländern bezeichnete sie als „Landsknechte der Bourgeoisie". Diese Einschätzung bezog sich auch auf die italienischen Erfahrungen, als in den „Biennio nero", den Jahren der Reaktion, die faschistischen „Schwarzhemden" sich als Büttel der Unternehmer gegen Betriebsbesetzungen in Norditalien und der Latifundistas gegen die rebellierenden Landarbeiter in Süditalien erwiesen.

In Deutschland wurde als politische Antwort im Juli 1923 der erste »Antifaschistentag« organisiert. Als praktische Konsequenz entstand – mit tatkräftiger Unterstützung der KI – seit dem Sommer 1923 eine „Welt-Liga gegen den Faschismus" mit einem Informationsblatt „Chronik des Faschismus". In diesen Heften wurden Analysen und Berichte über die faschistische Bewegung in verschiedenen Ländern Europas und sogar der USA veröffentlicht, aus extrem rechten Zeitschriften zitiert und deren Agieren gegen die linken Kräfte und Parteien einem interessierten Publikum dargestellt.

Am 7. November 1923 fand man unter der Überschrift „Gegen den Faschismus! Gegen reaktionäre Schreckensherrschaft und weißen Terror!" den öffentlichen Aufruf zur Gründung einer „Internationalen Antifaschisten-Liga". Darin wurde betont, die faschistische Bedrohung sei keine Parteifrage mehr, sie betreffe alle Schichten der Gesellschaft. Der Faschismus sei „gegen alle politischen Arbeiter-Organisationen, gegen alle Gewerkschaften, gegen die Genossenschaften, sogar gegen die Jugend- und Kindergruppen". „Alles freiheitliche intellektuelle Leben hört auf, wo die Faschisten zur Macht kommen. Die faschistische Gefahr bedroht heute die ganze Welt, vor allem Deutschland."

In allen Ländern sollten antifaschistische Organisationen ins Leben gerufen werden, um die Kräfte „zu einem energischen einheitlichen Kampf gegen den Faschismus zu vereinigen". Zu den Unterstützern des „Initiativ-Komitees zum Aufbau einer Internationalen Antifaschisten-Liga" gehörten Persönlichkeiten wie Clara Zetkin, Willi Münzenberg und George Grosz (Deutschland), Henri Barbusse und Romain Rolland (Frankreich), Edo Fimmen (Holland), Upton Sinclair (USA) und Prof. Dr. Karl Grünberg (Österreich).
Als formaler Sitz der „Weltliga" wurde Amsterdam gewählt. Das tatsächliche Büro war in Berlin.

Am 10. Dezember 1923 fand in Berlin die erste Tagung der „Weltliga gegen Faschismus" statt. 53 Teilnehmer aus 14 Ländern, darunter Deutschland, Frankreich und die Niederlande, waren anwesend. Auch Sozialdemokraten, Gewerkschafter und bürgerlich-demokratische Kräfte folgten dem Aufruf. Die Teilnehmenden repräsentierten damit die in verschiedenen Ländern bereits bestehenden antifaschistischen Gruppen und Organisationen der antifaschistischen Weltliga.

Das wichtigste Tätigkeitsfeld der „Weltliga" lag in den Bereichen: Recherche, Aufklärung und Bündnisarbeit. Es wurde Material über faschistische Organisationen zusammen mit den nationalen Sektionen der „Weltliga" in Österreich, der Tschechoslowakei, Frankreich, Italien, Serbien, den USA und Skandinavien ausgewertet. Daraus entstanden Materialien für die alltägliche Agitation. In der Bündnispolitik wurden Kontakte zu linkssozialistischen, radikalen zivilen und intellektuellen Gruppen geknüpft.

Durch politische Kontroversen innerhalb der KI wurde dieser organisationspolitische Ansatz seit Frühjahr 1924 nicht mehr fortgesetzt. Nun galten Sozialdemokraten als „Bundesgenossen des Faschismus". Im September 1924 wurde beschlossen, die antifaschistische Weltliga aufzulösen. Damit endete nach knapp einem Jahr ein Politikansatz, der tatsächlich über den Rahmen der Parteipolitik eine antifaschistische Bündnisarbeit umzusetzen versuchte.
Seine politische Zeit war noch nicht gekommen, aber aus heutiger Sicht, sollten diese Erfahrungen und die damals entwickelten Materialien intensiv ausgewertet werden.

FIR Newsletter 2023-51 dt., 22.12.2023