Deutsch-Chinesische Einblicke: In welcher Welt leben wir? - Projekt "Neue Formen der (Selbst-)Organisierung von prekär Beschäftigten - Austausch und Begegnung im Oktober 2010" zu Gast in Frankfurt

VertreterInnen von Wanderarbeiter-Organisationen aus China werden soziale Initiativen in Köln und Frankfurt besuchen. In der zweiten Woche ihrer Reise werden sie gewerkschaftliche und nicht-gewerkschaftliche Initiativen aus dem Bereich der Flüchtlings- und MigrantInnenarbeit, der Sozialberatung und der Kulturarbeit in der Rhein-Main Region besuchen, Zentrum wird hier Frankfurt am Main sein. Am Mittwoch, den 20.10.10, ab 10 Uhr wird die Stadtteilinitiative Rödelheim die Gäste aus China empfangen und sich mit ihnen über ihre Arbeit austauschen. Wer Interesse hat, kann gerne dazustoßen.

Weltweit erleben wir heute einen Prozess der ökonomischen Globalisierung,
der auch mit einer Prekarisierung der Arbeits- und Lebensverhältnisse verbunden ist. Ehemals abgesicherte und unbefristete Arbeitsverträge werden vielfach durch kurzfristige, jederzeit kündbare Verträge ersetzt, damit einher geht einerseits ein Prozess der sozialen Entrechtung der abhängig Beschäftigten in den sog. entwickelten Industriegesellschaften, andererseits werden Lohnabhängigen in aufstrebenden ökonomischen Entwicklungszentren wie China typische Rechte von Lohnabhängigen vorenthalten. Gerade migrantische Arbeitsverhältnisse sind nicht nur ein Ausdruck der Globalisierungsprozesse, sondern in besonderer Weise von Rechtlosigkeit betroffen.

Die Gewerkschaften halten mit diesen Entwicklungen nicht Schritt und haben oft keine praktische Antwort auf die Veränderungen, die damit für die betroffenen Beschäftigten verbunden sind. Aus dieser Situation heraus entsteht, sei es individuell oder kollektiv, bei den Lohnabhängigen das Bedürfnis nach der Verteidigung bisheriger sozialer Rechte, bis hin zur Entwicklung oder Aneignung neuer Formen gesellschaftlicher Bedürfnisbefriedigung, sozialer Absicherung und politischer Einflussnahme. Dabei ändern sich auch die Protest- bzw. Aktionsformen, und es entstehen neue Arbeitsweisen wie etwa Workers Center, Sozial- oder Kulturzentren und vielfältige  soziale Initiativen, die zu Orten des Lernens und der Gegenwehr werden.
Während die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen den nationalen Ökonomien gerade auch in der Krise deutlich sichtbar und in der Öffentlichkeit thematisiert werden, erfährt der überwiegende Teil der lohnabhängig Beschäftigten jedoch nur wenig voneinander. Möglichkeiten des Austauschs über die Folgen der Globalisierung und eine Verständigung über den Umgang mit diesen sind meist auf Kontakte und Informationsaustausch im Rahmen von ExpertInnen-Dialogen oder den institutionellen Rahmen der internationalen Abteilungen von Gewerkschaften beschränkt.

Im Rahmen einer Begegnungsreise wollen wir durch den Austausch der Erfahrungen von Akteuren in den prekären Bereichen aus vordergründig sehr unterschiedlichen gesellschaftlichen Zusammenhängen und Staaten wie Deutschland und China versuchen, voneinander zu lernen, uns  gegenseitig zu informieren und Anregungen für unsere  Alltagspraxis  zu gewinnen.

Die Besuchsreise ist aufgeteilt in jeweils einwöchige Begegnungen im Raum Köln bzw. Frankfurt am Main:

  • In der ersten Woche finden  Besuche bei bzw. Diskussionen mit sozialen Initiativen, Workers Centers, Solidaritätskomitees und gewerkschaftlichen Basis-Gruppen in der Region Rhein-Ruhr mit dem Zentrum in Köln statt.
  • In der zweiten Woche werden gewerkschaftliche und nicht-gewerkschaftliche Initiativen aus dem Bereich der Flüchtlings- und MigrantInnenarbeit, der Sozialberatung und der Kulturarbeit in der Rhein-Main Region besucht, Zentrum wird hier Frankfurt am Main sein.

Zwischen diesen Begegnungen findet ein dreitägiger Workshop in Köln statt zum Thema:

Begriff und Praxis der Selbstorganisation – Konzepte und Erfahrungen
Prägend für die Geschichte der ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung ist die Idee der sozialen Emanzipation von Unterdrückung und Ausbeutung. Tatsächlich haben sich jedoch historisch sehr unterschiedliche Kulturen und Vorstellungen herausgebildet, die diese Idee näher bestimmt und mit Leben erfüllt haben. Diese Kulturen, Auffassungen und Praktiken koexistieren mehr oder weniger sichtbar auch heute in den Gesellschaften. So finden sich in Europa neben korporatistischen, sich selbst als eher sozialpartnerschaftlich verstehenden, einheitsgewerkschaftlichen oder politischen Richtungs-Gewerkschaften auch syndikalistische oder basisbezogene Gewerkschaften, und auch in China haben sich neben der Staatsgewerkschaft unterschiedliche Formen der Interessenvertretung gerade im Bereich der Wanderarbeit entwickelt.
 
Auf dem Workshop wollen wir sowohl den geschichtlichen Hintergrund dieser Entwicklungen und Strömungen vorstellen als auch die aktuelle Entwicklung in beiden Ländern im Zusammenhang mit der Frage nach adäquaten Formen von Organisierung, Interessenartikulation und –vertretung als Momente einer sozialen Emanzipationbewegung diskutieren.
 

Programm des Austauschs: 7. - 24. Oktober 2010

 
7. Oktober, Donnerstag: Ankunft in Berlin – Eröffnung der „Wanderarbeiter“-Ausstellung im Rahmen der Ausstellung „Das Potosi-Prinzip“ im Haus der Kulturen
8. Oktober, Freitag: Diskussionsveranstaltung mit Sun Heng in Berlin
9. Oktober, Samstag: Fahrt nach Köln
10. Oktober, Sonntag: Morgenbesprechung (9 Uhr), Kennenlernen der Stadt,  Spaziergang
11. Oktober, Montag: Morgenbesprechung (9 Uhr); Besuch in einem MigrantInnenzentrum
12. Oktober, Dienstag:  Morgenbesprechung (9 Uhr); Besuch bei einer basisgewerkschaftlichen Gruppe/Opel GM in Bochum
13. Oktober, Mittwoch: Morgenbesprechung (9 Uhr); Besuch im Bayer-Workers Center in Leverkusen
14. Oktober, Donnerstag: Morgenbesprechung (9 Uhr); Stadtteilzentrum in Köln-Kalk; Initiative Agenturschluss – 15. Organisation von Erwerbslosen; nachmittags: Musik-Veranstaltung im öffentlichen Raum auf der Domplatte
15. Oktober, Freitag: Workshop „Selbstorganisation: die andere Kultur der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung“ (Beginn: 11 Uhr)
16. Oktober, Samstag: Fortsetzung des Workshops
17. Oktober, Sonntag: Fortsetzung des Workshops (Ende: mit Mittagessen)
18. Oktober, Montag: Bilanz der ersten Woche / Vorbereitung zweite Woche (9-11 Uhr); Abfahrt nach Frankfurt a.M.; ev. Teilnahme an der Banken-Demonstration
19. Oktober, Dienstag: Morgenbesprechung (9 Uhr); Besuch des Flüchtlingsberatungs-Cafes in Hanau, Diskussion mit „kein mensch ist illegal“ und MigrantInnen
20. Oktober, Mittwoch: Morgenbesprechung (9 Uhr); Besuch der Stadtteil-Initiative „Zusammen e.V.“ in Rödelheim; ev. abends Besuch im türkischen Volkshaus
21. Oktober, Donnerstag: Morgenbesprechung (9 Uhr); Gespräch mit Prostituiertenberatungsverein FIM  e.V. (vormittags); Gespräch mit Mihai Balan vom Europäischen Wanderarbeiterverband e.V., anschließend Besuch der „Gewerkschaftlichen Anlaufstelle für prekär beschäftigte MigrantInnen, mit oder ohne Papiere“ (ab 17 Uhr)
22. Oktober, Freitag: Morgenbesprechung (9 Uhr); Besuch des ehemaligen Gefängnisses und jetzigen Kulturzentrums „Klapperfeld“, Ausstellung zur Geschichte des Gefängnisses und Diskussion mit der BesetzerInnengruppe „Faites votre Jeu“

23. Oktober, Samstag: Auswertung und Abschlussgespräch; Fahrt nach Mannheim zu Alstom
24. Oktober, Sonntag: Rückflug von Frankfurt
 
Information & Kontakt: Redaktion express, Tel. (069) 67 99 84, email: express-afp@online.de, Asienhaus Essen, Peter Franke, Tel. (0201) 8303832, email: peter.franke@asienhaus.de
 
 
Zusammen e.V.
Alt-Rödelheim 12
60489 Frankfurt
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