Es geht auch anders: Ärztinnen und Ärzte protestieren gegen die Pläne von Dr. Rösler

Unmittelbar vor Start der Regierungskommission zur Gesundheitsreform hält Gesundheitsminister Rösler, trotz aller Proteste, an seinen Plänen zur schrittweisen Einführung einer einkommensunabhängigen Kopfpauschale – im Moment wird an 29 Euro anstelle der 0,9 Prozentpunkte, die alleine die Arbeitnehmer bezahlen, gedacht – zur Finanzierung des Gesundheitswesens fest.

Diese Art der Finanzierung ist unsozial, da sie die Schwachen mehr belastet als die Starken, und der angekündigte Steuerausgleich darüber hinaus auch nicht finanzierbar ist. Als Kollege wurde Dr. Rösler von der Ärzteschaft mit Vorschusslorbeeren bedacht und ist seit langem der erste Gesundheitsminister, auf den die offizielle Ärzteschaft ohne Mistrauen zugeht. Nicht zuletzt deshalb, weil sie sich von einem Kollegen den Erhalt ihrer Privilegien erhofft.

Um zu zeigen, dass es auch Ärztinnen und Ärzte gibt, die mit den unsozialen Plänen des Ministers nicht einverstanden sind und die sich für ein solidarisch und gerecht finanziertes Gesundheitswesen einsetzen, rufen die Erstunterzeichner des Aufrufes Ärzte gegen Dr. Röslers Rezepte - Für ein solidarisches Gesundheitswesen ihre ärztlichen Kollegen zum öffentlichen Protest gegen die Politik des Gesundheitsministers auf. Der Aufruf wendet sich nicht nur gegen die Kopfpauschale, sondern zeigt auch mögliche Wege zu einer gerechten und solidarischen Finanzierung des Gesundheitswesens auf. Diese Resolution wird im Internet veröffentlicht und kann ab Freitag unterzeichnet werden unter: http://www.aerzte-gegen-roeslers-rezepte.de/

Die gesammelten Unterschriften werden Herrn Minister Dr. Rösler anlässlich des Deutschen Ärztetages in Dresden (11.-14.Mai 2010) überreicht werden, um zu demonstrieren, dass nicht die gesamte Ärzteschaft hinter seiner unsozialen Politik steht.
 
Prof. Dr. Wulf Dietrich
Vorsitzender des vdää
 

Ärzte gegen Dr. Röslers Rezepte

Für ein solidarisches Gesundheitswesen

 
Wir, die unterzeichnenden Ärztinnen und Ärzte lehnen die im Koalitionsvertrag festgelegten gesundheitspolitischen Pläne der FDP-CDU-Regierung ab, denn sie zielen auf eine Zerstörung der solidarischen und paritätisch finanzierten Krankenversicherung.
 

Wir dagegen stehen ein für den Ausbau der Solidarität!

 
    •    Wir lehnen die Kopfpauschale ab, weil sie die Gutverdienenden entlastet und niedrige Einkommen überdurchschnittlich belastet. Der versprochene soziale Ausgleich über Steuern ist kein Ersatz für das bewährte Solidarsystem einer paritätisch finanzierten gesetzlichen Krankenversicherung.
    •    Wir lehnen Zusatzbeiträge ab, die allein von den Versicherten zu tragen sind. Sie sind der Einstieg in die Kopfpauschale.
    •    Wir lehnen das Einfrieren der Arbeitgeberbeiträge ab, da die Arbeitgeber sonst nicht mehr an den Steigerungen der Gesundheitsausgaben beteiligt wären. Das Gesundheitssystem darf nicht wirtschaftspolitischen Zwecken wie der Senkung der so genannten Lohnnebenkosten untergeordnet werden.
    •    Wir lehnen die geplante Stärkung der Privaten Krankenversicherung ab, da die Private Krankenversicherung wesentlich zur Zweiklassenmedizin beiträgt und deshalb abgeschafft werden muss.
    •    Wir lehnen das Prinzip der Kostenerstattung ab, da wir das Sachleistungsprinzip für eine Errungenschaft der Solidargemeinschaft halten. Kostenerstattung würde die Versicherten zusätzlich stark belasten. Im unmittelbaren Verhältnis zwischen Arzt und Patient darf das Geld keine Rolle spielen!
    •    Wir lehnen es ab, das Gesundheitswesen zum größten Wachstumsmarkt in unserem Land zu machen. Marktprinzipien führen zu Über-, Unter- und Fehlversorgung. Wir fordern dagegen demokratische Kontrolle und Planung nach sozialmedizinischen Kriterien.

Deutschland hat eines der teuersten Gesundheitswesen der Welt. Wir sehen in vielen Bereichen Über- und Fehlversorgung. An erster Stelle müssen eine sinnvolle Verwendung der vorhandenen Mittel und eine von Lobbyinteressen unabhängige Forschung stehen. So sehen wir z.B. im Pharmabereich und bei den Großgeräten noch enorme Einsparpotentiale.

Wir fordern ein Mehr an Solidarität: Eine konsequente Bürgerversicherung unter Einbeziehung aller Bürgerinnen und Bürger und aller Einkommen wäre der richtige Weg!

Für uns Ärztinnen und Ärzte steht der Patient im Mittelpunkt, nicht das Geschäft. Für uns ist Gesundheit keine Ware sondern zentrales Moment sozialer Teilhabe und würdevollen Lebens. Wir fordern alle Kolleginnen und Kollegen, die sich wie wir für die Interessen und die optimale medizinische Versorgung der Bevölkerung einsetzen, zum Protest gegen den geplanten unsozialen Umbau des Sozialversicherungssystems auf.

Der geplante Abbau von Solidarität geht von Ihnen als Gesundheitsminister aus, Herr Dr. Rösler. Deshalb richtet sich unser Protest direkt gegen Ihre Politik. Nehmen Sie sich ein Beispiel an US-Präsident Obama, der gerade das zurückdrängen will, was Ihre Reformen hier fördern würden: die kostspieligen und unsolidarischen US-amerikanischen Verhältnisse im Gesundheitswesen.
 
Stoppen Sie diese Reform! Yes, you must!!
 
 

Ärzte gegen Dr. Röslers Rezepte - Für ein solidarisches Gesundheitswesen
 
Erstunterzeichner

 
Prof. Dr. Heinz-Harald Abholz (Universität Düsseldorf), Dr.med. Annette Bänsch-Richter-Hansen (Wiesbaden), Dr.med. Winfried Beck (Offenbach), Dr. Dr. Oswald Bellinger (Frankfurt/M), Friedemann Bohlen (Facharzt für Arbeitsmedizin und Innere Medizin, Gütersloh), Wilhelm Breitenbürger (Allgemeinarzt, Berlin), Max Bürck-Gemassmer (Arzt für Allgemeinmedizin, Berlin), Dr.med. Reinhard Büttner (Frankfurt/M), Dr.med. Michael Cremer (Mannheim), Prof. Dr. Hans-Ulrich Deppe (Frankfurt/M), Prof. Dr. Wulf Dietrich (Vorsitzender des vdää, München), Ernst Hermann Dittrich (Arzt f. Innere Medizin, Berlin), Prof. Dr. Gine Elsner (Frankfurt/M), Ingelore Fohr (Düsseldorf), Dr. Michael Forßbohm (Wiesbaden), Pierre E. Frevert (Arzt für Psychosomatische Medizin, Psychoanalytiker, Frankfurt/M), Dr. Hermann Gloning (FA für Kinder- und Jugendmedizin, München), Klaus-Dieter Grothe (Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatische Medizin, Psychotherapie, Hüttenberg), Dr. Andreas Grüneisen (Fraktion Gesundheit Berlin), Dr.med. Clarissa Herdeis (München), Dr.med. Charlotte Hillmann (Berlin), Dr.med. Peter Hoffmann (München), Dr.med. Bernd Hontschik (Frankfurt/M), Dr.med. Ellis Huber (Berlin, ehem. Ärztekammerpräsident Berlin), Dr. med. Michael in der Wiesche (Göttingen), Dr.med. Constanze Jacobowski (Berlin), Dr.med. Philipp Jansen (Frankfurt/M), Matthias Jochheim (Arzt für Allgemeinmedizin/Psychotherapie, stellv. Vorsitzender der deutschen IPPNW, Frankfurt/M), Dr.med. Bernd Kalvelage (Hamburg), Nico Kessler (Medizin-Student, Frankfurt/M)Prof. Dr.med. Michael M. Kochen (MPH, FRCGP, Göttingen), Thomas Kunkel (Arzt, Berlin), Dr. med. Dieter Lehmkuhl (Vorstandsmitglied der deutschen IPPNW, Berlin), Dr.med. Thomas Lindner (Berlin, Vorstandsmitglied bei MEZIS), Dr.med. Gerd Manecke (Hanau), Bri Meyer-Campsen (Fraktion Gesundheit, Berlin), Prof. Dr.med. Rainer Müller (Universität Bremen), Dr. Thomas Müller (Tübingen), Dr.med. Volker Pickerodt (Berlin), Prof. Dr. Michael Regus (Berlin), Dr. Hermann Reitze, Dr.med. Corinna Roser (Frankfurt/M), Dr.med. Michael Roser (Frankfurt/M), Dr. med. Dr. phil. Karl Heinz Roth (Bremen), Dr. Udo Schagen (Berlin), Peter Scharf (Zahnarzt, Sprecher der Fraktion Gesundheit in der Zahnärztekammer Berlin und Kassenzahnärztlichen Vereinigung Berlin), Prof. Dr.med. Dieter W. Scheuch (Dresden), Dr.med. Peter Scholze (stellv. Vorsitzender der VV der KVB, München), Dr. med. Eckhard Schreiber-Weber (Facharzt für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren, Bad Salzuflen), Dr.med. Rudi Schwab (München), Dr.med. Gerhard Schwarzkopf-Steinhauser (stellv. Vorsitzender des vdää, München), Dr.med. Jürgen Seeger (Frankfurt/M), Prof. Dr.med. Volkmar Sigusch (Frankfurt/M), Wolfram Singedonk (Berlin), Dr.med. Thomas Spies MdL (Marburg), Dr.med. Jan Peter Theurich (Rheda-Wiedenbrück), Dr.med. Eberhard Thiele (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Ärztlicher Psychotherapeut (Limburg), Dr.med. Edgar Thimm (Radolfzell), Martin von Hagen (Chefarzt des Zentrums für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Eschwege), Christiane von Rauch (Ärztin für Allgemeinmedizin, Frankfurt/M), Dr.med. Bernhard Winter (stellv. Vorsitzender des vdää, Frankfurt/M), Dr.med. Andreas Wulf (Frankfurt/M, medico international e.V.), Dr. med. Susanne Zickler (Köln)


Presseerklärung des Vereins Demokratischer Ärztinnen und Ärzte

16. März 2010

Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte
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