Fraktion Linke Liste fordert Akteneinsicht zum Neonazi-Aufmarsch am 8. Mai

Die Fraktion Linke Liste Wiesbaden hatte bereits unmittelbar nach dem 8. Mai das Verwaltungshandeln der Stadtspitze hinsichtlich des Neonazi-Aufmarsches in Wiesbaden Erbenheim und der demokratischen Gegenkundgebung am 65. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus als völlig inakzeptabel beurteilt

(siehe unten dokumentierte Pressemitteilung).

In den zurückliegenden Wochen wurden unter den am "Bündnis 8. Mai - Rhein-Main" beteiligten Gruppen und im Wiesbadener Bündnis gegen Rechts intensiv die Geschehnisse am und um den 8. Mai 2010 ausgewertet und beurteilt. Die Fraktion Linke Liste sieht sich in ihrer Beurteilung dadurch bestätigt. Es besteht große Einigkeit im Bestreben die Vorgänge weiter aufzuklären und die Verantwortlichkeiten für das inakzeptable Verwaltungshandeln festzustellen, um die erforderlichen politischen und personellen Konsequenzen zu ziehen, die sicherstellen sollen, dass sich das inakzeptable Verwaltungshandeln nicht in ähnlicher Art wiederholt und Wiesbaden nicht weiter neonazistischen Gruppen als Aufmarschgebiet für ihr volksverhetzendes Treiben überlassen wird.

Zur notwendigen weiteren Klärung wird die Fraktion Linke Liste in der Stadtverordnetenversammlung einen Antrag auf Bildung eines Akteneinsichtsausschusses stellen, der eine Reihe von offenen Fragen beantworten soll. Dem in der Sache tätigen Rechtsanwalt Gerhard Strauch wurde die erforderliche umfassende Akteneinsicht bislang verwehrt, so dass alle am Bündnis beteiligten demokratischen Kräfte bislang keinen Zugang zu diesen Informationen haben. Nach Auffassung der Fraktion Linke Liste haben in diesem Zusammenhang die Stadtverordneten als gewählte Mandatsträger/innen eine besondere Verantwortung, der sie sich stellen müssen.

Hartmut Bohrer, Fraktionsvorsitzender
Mechthilde Coigné, Stadtverordnete, Mitglied im Ausschuss für Bürgerbeteiligung, Völkerverständigung und Integration

Presseerklärung der Fraktion Linke Liste Wiesbaden
1. Juni 2010


Dokumentierte Pressemitteilung vom 11. Mai 2010:

Respektabler Protest gegen die Neonazis – inakzeptables Verhalten der Stadtspitze


Die Fraktion Linke Liste wertet es als einen Erfolg, dass sich so viele Menschen am Protest gegen den Neonazi-Aufmarsch in Wiesbaden beteiligten, obwohl viele bereits auf dem Weg zur Demonstration behindert wurden. Die wochenlange Geheimhaltung der Genehmigung des Neonazi-Aufmarsches in Erbenheim durch die Stadtregierung trug dazu bei, dass die Teilnahme an der demokratischen Kundgebung erschwert wurde.

Scharf kritisiert die Fraktion Linke Liste, dass den Neonazis der Stadtteil Erbenheim zum Aufmarsch überlassen wurde und auch die ortsansässige Erbenheimer Bevölkerung massiven Einschränkungen unterworfen wurde. Der Einsatz der Polizei war völlig unverhältnismäßig, an manchen Stellen provokativ und übergriffig, insgesamt uneinheitlich. Offensichtlich waren nicht wenige Beamtinnen und Beamte mit den Örtlichkeiten nicht vertraut und verunsichert über Sinn und Ablauf ihres Einsatzes.

Journalisten, denen die Beobachtung des Neonazi-Aufmarsches möglich war, konnten dokumentieren, dass lautstark offen antisemitische und antidemokratische Hetzreden und Parolen verbreitet werden konnten, ohne dass dies zum Einschreiten der Ordnungskräfte geführt hätte. Dem NPD-Funktionär Udo Pastörs, gegen den nur wenige Stunden zuvor ein Gerichtsurteil von 10 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und 6.000 € Geldstrafe wegen Volksverhetzung erging, wurde die Möglichkeit gegeben, in einer Rede  braunes Gedankengut wieder unter die Leute zu bringen. Auch tolerierten die Ordnungskräfte das Zeigen verbotener, verfassungsfeindlicher Symbole und schritten nicht ein, wie das gesetzlich vorgeschrieben ist.

Dass der Neonazi-Aufmarsch unmittelbar an Stolpersteinen zum Gedenken an ermordete Erbenheimer Juden vorbeigeführt wurde, hält die Fraktion Linke Liste für beschämend.

Für die großzügige Ermöglichung und Tolerierung der Straftaten tragen seitens der Stadt vor allem Oberbürgermeister Dr. Müller, Ordnungsdezernentin Zeimetz und der Magistrat wesentliche politische Verantwortung, da laut OB Dr. Müller das Vorgehen innerhalb der Stadtspitze abgestimmt worden sei.

Entsprechende personelle, juristische und politische Konsequenzen müssen deshalb folgen.
Was den Polizeieinsatz vor Ort angeht, trägt Innenminister Bouffier die wesentliche Verantwortung.

Offensichtlich haben die politisch Verantwortlichen aus der Geschichte der Weimarer Republik und ihrer Kapitulation gegenüber den Nazis nichts gelernt. Statt das gemeinsame Bündnis gegen die Neonazis zu verstärken, boten sie der faschistischen Volksverhetzung breiten Raum. 

 
Hartmut Bohrer, Fraktionsvorsitzender