Frankfurter Steuerfahndung zockt Sexarbeiter*innen ab

In den frühen Abendstunden des 23.04.2024 fand eine Razzia der Steuerfahndung und der Polizei in einem Bordell in der Frankfurter Elbestraße statt. Rund 20 Behördenmitarbeiter griffen sich einzelne Sexarbeiter*innen auf den vier Stockwerken des Etablissements heraus und kontrollierten, ob diese ihrer Pflicht zur Einzelaufzeichnung ihrer Kundeneinnahmen nach § 146 Abgabenordnung (AO) nachgekommen sind.

Von einer solchen Verpflichtung hatten die dort tätigen migrantischen Sexarbeiter*innen noch nie etwas gehört. Konnten sie keine „Einzelaufzeichnung“ ihrer Einnahmen in der jeweiligen Schicht vorlegen, so mussten sie an Ort und Stelle wegen „Steuergefährdung“ (§ 379 AO) ein Bußgeld in Höhe von 55 € bezahlen. Mindestens vier Frauen mussten an diesem Abend diese Summe berappen.

Für Doña Carmen sind diese Praktiken der Steuerfahndung eine willkürliche Abzocke, zumal auf besagte Pflicht zur Einzelaufzeichnung „aus Zumutbarkeitsgründen“ laut § 146 Satz 2 Abgabenordnung auch verzichtet werden kann, wenn die entsprechenden Einnahmen auf der Barzahlung einer „Vielzahl nicht bekannter Personen“ beruhen, was im Prostitutionsgewerbe zweifellos der Fall ist.

Während Milliardengewinne aus Cum-Ex-Geschäften noch immer bei den Betrüger-Banken liegen und dieser Steuerskandal noch immer nicht gänzlich aufgeklärt ist, haben Frankfurter Steuerfahnder nichts Besseres zu tun, als die Schlusslichter der Steuerhierarchie zu schikanieren und sich an diesen schadlos zu halten.

Bemerkenswert ist auch die bigotte Doppelmoral der Frankfurter Steuerfahndung, wenn sie Sexarbeiter*innen mit solchen Schikanen zu gesetzeskonformem Verhalten animieren will, gleichzeitig die betroffenen Frauen in der Prostitution aber einem mafiösen System der Sonderbesteuerung („Düsseldorfer Verfahren“) unterwirft, dass selbst aber auf keiner gesetzlichen Grundlage beruht.

In Frankfurt sind die Betreiber*innen hiesiger Bordelle nach diesem Sonderbesteuerungs-Verfahren durch die örtliche Finanzbehörde ermächtigt, an jedem Arbeitstag bei den Frauen – egal wie hoch deren Einnahmen sind – einen Steuerbetrag in Höhe von 15 € bar abzukassieren und diese Gelder an die Steuerfahndung zu überweisen. In der Regel erhalten weder die Betreiber*innen Belege der Steuerfahndung über die von ihnen abgeführten Gelder, noch erhalten die Sexarbeiter*innen über ihre Vorauszahlungen einen Beleg. Viele der sich an diesem missbrauchsanfälligen Verfahren beteiligenden migrantischen Frauen werden dabei im Glauben gelassen, sie seien damit ihren steuerlichen Verpflichtungen zur Genüge nachgekommen. Das ist jedoch mitnichten der Fall, sodass es in Einzelfällen bereits zu horrenden, existenzvernichtenden Nachforderungen der Finanzbehörden gekommen ist.

Dieses 1966 erfundene und nur in sieben Bundesländern praktizierte, speziell für das Prostitutionsgewerbe zugeschnittene Sonderbesteuerungs-Verfahren verstößt selbst gegen mehrere Bestimmungen der Abgabenordnung, darunter gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nach § 85 AO. Darauf wies der Bundesrechnungshof bereits 2014 hin: „Es kann nicht in das Belieben der Finanzbehörden der einzelnen Länder gestellt werden, ob sie Prostituierte mit steuerpflichtigen Einkünften und Umsätzen überhaupt und ggf. auf welche Weise besteuern. Dies verstößt gegen die Gleichmäßigkeit der Besteuerung.“ (Bericht des Bundesrechnungshofs, 24.1.2014)

Doña Carmen e.V. fordert die Einstellung aller willkürlichen Schikanen gegenüber Sexarbeiter*innen im Frankfurter Bahnhofsviertel sowie die Abschaffung der ihnen gegenüber praktizierten diskriminierenden Sonderbesteuerung.

Pressemitteilung 26.4.2024