Gebt uns unsere Rechte zurück!

Doña-Carmen-Erklärung zum Internationalen Frauentag 2021

Zum heutigen Internationalen Frauentag 2021 setzt sich Doña Carmen e.V., Verein für die sozialen und politischen Rechte von Prostituierten, dafür ein, dass Frauen in der Prostitution wieder ihrer Arbeit nachgehen können.

Auf einer Kundgebung zum heutigen Internationalen Frauentag in Frankfurt/Main (Opernplatz, 17 Uhr) wird Naomi, Sexarbeiter*in aus der Dominikanischen Republik, für Doña Carmen e.V. sprechen und klar zum Ausdruck bringen:

Wir wollen das Recht auf Arbeit unter angemessenen Arbeitsbedingungen!

Wir wollen das Recht selbst zu bestimmen, ob wir im Bordell, in der Wohnung oder auf

der Straße arbeiten!

Wir wollen das Recht, ohne Schikanen unserem Beruf nachzugehen – ohne

Bußgelder und Polizeiüberwachung, wenn wir auf der Straße arbeiten!

Wir wollen das Recht auf einfachen Zugang zu Angeboten des Gesundheitsamts:

freiwillig, anonym und kostenfrei!

Am heutigen 8. März 2021 sind Prostitutionsstätten in Deutschland mit Verweis auf Covid-19 im Schnitt aller Bundesländer bereits 308 Tage geschlossen. Auf die Spitze getrieben haben es dabei Hessen und Mecklenburg-Vorpommern mit insgesamt 359 Tagen Total-Lockdown von Prostitutionsstätten. Das sind 359 Tage Existenzunsicherheit und Verzweiflung.

Gerechtfertigt wird diese gegen Sexarbeiter*innen gerichtete Politik mit der unbewiesenen Behauptung einer von Sexarbeit ausgehenden „erhöhten Infektionsgefahr", die sie angeblich von anderen körpernahen Dienstleistungen maßgeblich unterscheiden soll. Doch tatsächlich handelt es sich hierbei bloß um eine spekulative Annahme, mit der man die Existenzvernichtung von Menschen in der Sexarbeit billigend in Kauf nimmt.

Denn jeder / jedem dürfte bekannt sein: Es gibt keinen Nachweis dafür, dass Sexarbeiter*innen in höherem Maße Covid-19 übertragen als andere körpernahen Dienstleister*innen, die ab heute, dem 8.3.2021 wieder tätig sein dürfen. Das Robert-Koch-Institut hat bereits im vergangenen Jahr bestätigt, das Sexarbeiter*innen nach den ihm vorliegenden Erkenntnissen keine „Super-Spreader" sind. Und warum sollten sie es sein?

Anders als in Supermärkten gibt es in Prostitutions-Etablissements keine Menschenschlangen an den Kassen. In Freudenhäusern drängeln sich keine Menschen wie in S- und U-Bahnen. Anders als in Sammelunterkünften bzw. in Fleisch- und Eisfabriken leben und arbeiten Sexarbeiter*innen in Bordellen nicht dicht an dicht, sondern arbeiten dort einzeln in eigenen Zimmern. Sie haben zu ihren Kunden überschaubare 1:1-Kontakte und stimmen mit ihnen bekanntlich keine Chorgesänge an.

Während Sex in Deutschland nicht verboten ist, wird gleichzeitig so getan, als sei ein Verbot von Pay-Sex alternativlos. Was für ein frauenfeindlicher Zynismus!

Wer einen Blick in die neuen, ab heute (8.3.2021) geltenden Corona-Verordnungen der Bundesländer wirft, wird feststellen, dass in 10 von 16 Bundesländern körper- und gesichtsnahe Dienstleistungen wieder erlaubt sind unter der Vorgabe, dass die Dienstleister*innen auf Grundlage eines Testkonzepts arbeiten und Kunden*innen einen negativen Selbst- bzw. Schnelltest vorweisen können (Baden-Württemberg, Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Niedersachen, NRW, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein).

Doña Carmen e.V. hält eine Covid-19-Zwangstesterei für grundsätzlich problematisch. Aber wie steht es dabei eigentlich um die rechtliche Gleichbehandlung? Gilt die Möglichkeit einer Ausübung körpernaher Dienstleistungen jetzt auch für die Erbringung und Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen? Natürlich nicht! Ist das rechtliche Ungleichbehandlung und offen zur Schau gestellte Doppelmoral gegenüber Frauen in der Prostitution? Allerdings!

Geht es nach dem Willen der Bundesregierung und der Landesregierungen, so werden Prostitutionsstätten, die mit als erste geschlossen wurden, als allerletzte wieder öffnen dürfen: „Es bietet sich an, die im Herbst und Winter ergriffenen Verschärfungen in der umgekehrten Reihenfolge ihrer Einführung wieder schrittweise zu lockern", heißt es entlarvend in den hessischen „Perspektiven für eine verantwortungsvolle Öffnung".

Nichts anderes geht aus den Stufenplänen anderer Bundesländer hervor. Nichts anderes ergibt sich aus dem jüngsten Beschluss der Bundeskanzlerin mit den Chef*innen der Landesregierungen vom 3. März 2021.

Gegen diese rechtliche Diskriminierung und massive Ungleichbehandlung von Frauen in der Prostitution wendet sich Doña Carmen e.V. aus Anlass des Internationalen Frauentags. Wir protestieren dagegen, dass Frauen durch eine verfehlte staatliche Politik in informelle Strukturen abgedrängt werden, sobald sie der Sexarbeit nachgehen. Doña Carmen e.V. fordert für das Prostitutionsgewerbe eine konkrete Öffnungsperspektive, die sich nicht an einem einzigen Kennwert, nämlich der 7-Tages-Inzidenz orientiert. Wir spielen nicht das Schlusslicht für eure „Öffnungspolitik"!

Pressemitteilung 8.3.2021