Offener Brief an den Senat der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn sie heute tatsächlich der Liste von 36 Professuren, die von privaten Unternehmen bezahlt werden, zwei weitere hinzufügen sollten, würden Sie die Kritik an der Umwandlung der Frankfurter Universität in eine Stiftungs-Universität nur aufs Neue bestätigen. Dass nämlich mit der Umwandlung eine grundsätzliche Neuausrichtung der Universität an den Normen, Zielsetzungen und Strukturen der Privatwirtschaft beabsichtigt sei und damit der Stellenwert der Unabhängigkeit von Forschung und Lehre und erst recht der eines kritischen Verständnisses von Hochschule Zug um Zug abgebaut werden soll.

Die Berufung des Fraport-Chefs Bender würde in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung um die Luftverkehrspolitik im allgemeinen und den Ausbau des Frankfurter Flughafens im Besonderen auf jeden Fall einseitig die Position des Unternehmens Fraport begünstigen. Der ohnehin schon beherrschende Einfluss des Unternehmens auf Politik und Medien erführe durch eine Honorarprofessur eine weitere Steigerung. Für die Interessen derjenigen aber, die für Alternativen eintreten, wäre die Berufung des Fraportchefs ein herber Rückschlag.

Noch mehr gilt die Kritik an der Ausweitung der Unternehmer-Lobby an der Frankfurter Universität für den zweiten Versuch, eine Professur für den Deutsche Bank-Chef Ackermann zu installieren, nachdem dieser sich aus dem Mannesmann-Prozess herauskaufen konnte.
Ackermann steht für das internationale Bankkapital, das mit der US-Hypothekenkrise gegenwärtig milliardenschwere Schäden verursacht.
Die Liste der Vorwürfe gegen den Spitzenvertreter der Deutschen Bank ist lang und reicht von Kooperationen mit Diktaturen, der Mitwirkung an der Vernichtung des Regenwaldes, Beteiligung an Rüstungsgeschäften (darunter die Finanzierung von Uranwaffen) bis zu dem Vorwurf, an der weltweiten Verteuerung von Lebensmitteln durch Spekulationsfonds zu verdienen.
Erst jüngst musste sich Ackermann auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank mit der Kritik der „Kritischen AktionärInnen“ an dem „Agriculture Euro Fonds“ der Deutschen Bank und seiner Werbung auseinandersetzen. Für diesen Spekulationsfonds, der auf steigende Rohstoffpreise für Lebensmittel setzt und damit diesen Prozess anheizt, hatte die Deutsche Bank mit der Freude an steigenden Lebensmittelpreisen für die Fondsbesitzer geworben. Nach dem Bericht des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre hat sich Ackermann zwar für die Werbung entschuldigt, der Fonds selbst dagegen wird weiter verkauft.
Ein solcher Spitzenmanager soll jetzt den Nachwuchs an der Frankfurter Universität ausbilden dürfen? Kaum vorstellbar, dass etwa ein Lehrstuhl für die Kritischen AktionärInnen eingerichtet würde.

Statt endlich den von den multinationalen Konzernen weltweit entfesselten krisenhaften Entwicklungen eine wissenschaftlich gesicherte Gegenposition entgegenzustellen, dem geballten Lobbyismus mit kritischem Sachverstand Paroli zu bieten und alternative Lösungsansätze zum herrschenden Mainstream zu entwickeln, sollen die Vertreter von eng definierten Wirtschaftsinteressen jetzt auch noch im universitären Bereich verstärkt das Sagen bekommen.
Das wird weder der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität noch unserer Gesellschaft auf Dauer bekommen.

Mit freundlichen Grüßen    
Herbert Storn

GEW, Bezirksverband Frankfurt, 23.07.2008

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