Offener Brief der linksjugend['solid] MTK an die Schulleiterinnen und Schulleiter der weiterführenden Schulen im Main-Taunus-Kreis zum Thema Bundeswehr an Schulen

Die Bundeswehr besucht immer häufiger mit sog. »Jugendoffizieren« Schulen im gesamten Bundesgebiet, um die Schülerinnen und Schüler für den Dienst in der Bundeswehr anzuwerben.

Dass die Bundeswehr schon seit Jahren auf Berufs- bzw. Ausbildungsmessen auftritt, ist mittlerweile leider normal geworden. Dass die Bundeswehr seit 2007 jedoch gezielt in die Schulen geht und Schülerinnen und Schüler ungefragt für den Dienst in der Bundeswehr rekrutieren will, halten wir von der linksjugend['solid] Main-Taunus-Kreis für nicht akzeptabel. Aus diesem Grunde haben wir einen offenen Brief verfasst welcher an sämtliche weiterführenden Schulen im Main-Taunus-Kreis verschickt wird.

Offener Brief an die Schulleiterinnen und Schulleiter der weiterführenden Schulen im Main-Taunus-Kreis

April 2010

Sehr geehrte Schulleiterinnen und Schulleiter,

 

wir wenden uns in diesem offenen Brief an Sie mit dem Appell, aber auch der Bitte, dass Sie keine
Kooperation der von Ihnen geleiteten Schulen mit der Bundeswehr unterstützen.

Seit dem Jahre 2005 hat die Bundeswehr im gesamten Bundesgebiet verstärkt an Vereinbarungen
mit Schulen gearbeitet, hat Jugendoffiziere für Bezirkskreise abgestellt und Unterrichtsbesuche
angeboten. Darüber hinaus startete sie eine Kampagne mit den so genannten „Karriere-Trucks“, die
auf öffentlichen Plätzen und Schulhöfen halt machen und die Bundeswehr als vermeintlich sicheren
Arbeitsplatz anpreisen. Die jeweiligen Landesregierungen weisen die Entscheidungsverantwortung
von sich und erklären, das sei Befugnis der Schulleiterinnen und Schulleiter. Deshalb senden wir
Ihnen diesen Brief.

Eine Armee, die Werbung an Schulen macht ist äußerst kritisch zu betrachten. Der Beutelsbacher
Konsens von 1976, der sehr sinnvolle Maximen pädagogischen Handelns beschreibt, erwartet von
Schulen, ihre Arbeit an 3 Grundsätzen auszurichten. Eine Kooperation mit der Bundeswehr, in der
Art, wie sie heute stattfindet, widerspricht Zweien davon. Das Überwältigungsverbot besagt, dass
man Schülerinnen und Schüler nicht im Sinn von bestimmten Meinungen überrumpeln darf, denn
das behindert sie in der Gewinnung eines selbständigen Urteils. Das Kontroversitätsgebot besagt,
dass alles, was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, auch im Unterricht kontrovers erscheinen
muss.

Die Bundeswehr führt ihre Werbungsveranstaltungen nicht kontrovers durch, sie beschränkt sich
auf Informationen und Fakten, die ihre eigenen Ansichten untermauern. Ein Beispiel hierfür sind
die so genannten POL&IS-Spiele, Rollenspiele zu Politik und Internationaler Sicherheit, während
derer Schüler in die Rolle von Staatschefs schlüpfen und weltpolitische Probleme bewältigen sollen.
Militärische Handlungen sind in diesem Spiel nicht nur ausdrücklich möglich, sie werden als einzig
adäquate Lösung präsentiert. Unkommentiert ist so etwas als verpflichtendes Unterrichtsmittel mit
Blick auf den Beutelsbacher Konsens nicht hinnehmbar.

Problematisch sind auch die Karriere-Veranstaltungen, die die Bundeswehr als guten und sicheren
Arbeitsplatz präsentieren. Die Jugendlichen wachsen heute in einer Realität auf, in der sie hunderte
Bewerbungen mit Absagen zurückgeschickt bekommen. Nun lockt die Bundeswehr mit
Stellenangeboten an „interessanten Orten“, mit kostenlosen Führerscheinen und einem allgemeinen
Abenteuercharakter. Das wird vielen verlockend vorkommen. – Jedoch fällt kein Wort über die
Realität der Soldaten, über Verwundung, über den Befehl Menschen zu erschießen oder den eigenen
Tod. „Der Tod ist die logische Konsequenz soldatischen Handelns“(Georg Schramm), diese andere
Seite der Bundeswehr wird aber betont weggelassen. Das ist unehrlich, unausgewogen und nicht
mit Grundsätzen der Pädagogik vereinbar.

Wenn die Bundeswehr eingeladen wird, so müssten auch immer pazifistische Gruppen und
Deserteure eingeladen werden.

Wir bitten Sie also, als Leiterinnen und Leiter ihrer Schulen, die Kooperation mit der Bundeswehr
abzubrechen, oder von einer solchen Kooperation auch in Zukunft abzusehen, wenn sie sich dem
bisher verwehrt haben. 

Die Bundeswehr ist kein sicherer Arbeitsplatz, die Bundeswehr stellt Weltprobleme nicht fair
dar. Politische Bildung ist das Feld von ausgebildeten Pädagogen, sie soll balanciert,
kontrovers und ehrlich sein. Das kann und will die Bundeswehr nicht leisten.

Wir, die Linksjugend ['solid] MTK fordern daher: Keine Kooperationsvereinbarungen der Schulleiter
mit Jugendoffizieren! Bundeswehr raus aus unseren Schulen!

 

linksjugend['solid]
Main-Taunus-Kreis

solid-mtk@gmx.net
http://www.linksjugend.wordpress.com


AdressatInnen:

Anke Horn (Leiterin: Albert-Einstein-Schule, Schwalbach)
Gisela Gimmler-Maak (Leiterin: Anne-Frank-Schule, Kelkheim)
Wolfgang Bill (Leiter: Brühlwiesenschule, Hofheim)
Volker Stender-Mengel (Leiter: Eichendorffschule, Kelkheim)
Silvana Stapel (Leiterin: Freiherr-vom-Stein-Schule, Eppstein)
Heinz Müller-Lichtenstein (Leiter: Friedrich-Ebert-Schule, Schwalbach)
Johannes Elbert (Leiter: Friedrich-von-Bodelschwingh-Schule, Hofheim)
Bernhard Enke (Leiter: Gesamtschule Am Rosenberg, Hofheim)
Klaus Hartwich (Leiter: Graf-Stauffenberg-Gymnasium, Flörsheim)
Karl-Werner Hildebrandt (Leiter: Heinrich-Böll-Schule, Hattersheim)
Adnan Shaikh (Leiter: Heinrich-von-Kleist-Schule, Eschborn)
Helga Wagner (Leiterin: Johann-Hinrich-Wichern-Schule, Hofheim)
Volker Jesinghausen (Leiter: Heinrich-von-Brentano-Schule, Hochheim)
Dr. Horst Sewerin (Leiter: Main-Taunus-Schule, Hofheim)
Wolfgang Krümmel (Leiter: Mendelssohn-Bartholdy-Schule, Sulzbach)
Brigitte Wagner-Christmann (Leiterin: Sophie-Scholl-Schule, Flörsheim)
Monika Freytag-Baumgartner (Leiterin: Weingartenschule, Kriftel)