Offener Brief zur Dondorf-Druckerei

Wir, einige Mitarbeiter:innen des Frankfurter Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik, wenden uns an die Öffentlichkeit, da wir nicht umhinkommen, unser Unbehagen mit dem Umgang der Institutsleitung, aber vor allem mit der Max-Planck-Gesellschaft, mit der Causa Dondorf-Druckerei zu artikulieren.

Wir forschen zum Thema Ästhetik. Mit wissenschaftlichen Methoden versuchen wir zu ergründen, auf welche Weisen und warum künstlerische Inhalte wie wahrgenommen werden. Für uns schließt das einen sensiblen, verantwortungsbewussten Umgang mit kulturellen Artefakten notwendig ein. Genau diesen Umgang lässt unsere Institutsleitung mit dem Gebäude der Dondorf-Druckerei vermissen. Nicht nur wird weiterhin, auch über die Institutswebseite, der Abriss als alternativlos dargestellt, vielmehr wird das Gebäude, indem eine Teilrekonstruktion der Fassade angekündigt wird, abstrakt auf seine ästhetische Qualität beschränkt. Ein breiter Kulturbegriff müsste stattdessen das Gebäude ganzheitlich in seiner kulturellen Bedeutung erkennen: als Zeugnis jüdischer Geschichte, Industrie-, Arbeiter- und Universitätsgeschichte, sowie nicht zuletzt als Ausbildungsstätte von Kunstpädagog:innen. 

Die geplante Rekonstruktion erfüllt uns mit Sorge: aus erinnerungspolitischen Gründen, aus ökologischen und klimapolitischen Gründen, aber auch aus ästhetischen Erwägungen heraus. Die Welle von Rekonstruktionen, die derzeit durchs Land zieht, und zu deren gebauten Ergebnissen neben dem Berliner „Humboldt-Forum“ auch Frankfurts „Neue Altstadt“ zählt, liefert stets nur Chimären des vormals Bestehenden, bringt nur imaginierte Historizität hervor. Wir können uns nicht vorstellen, in einem Gebäude ernsthaft über Ästhetik zu forschen, das ein älteres, intaktes und ästhetisch ansprechendes Gebäude gewaltsam verdrängt hat, und dann sogar noch Backsteinästhetik vortäuscht.

Uns beschleicht mehr und mehr der Eindruck, dass der Erhalt der Dondorf-Druckerei von den Verantwortlichen nie ernsthaft erwogen wurde. Das Grundstück in Bockenheim nahm man gern, sah den Altbau aber eher als Bürde an – und untersuchte nie dessen Eignung für die Institutsnutzung. Schon die zunächst geplante Entkernung des Gebäudes beraubt es eines Großteils seiner architektonischen Stärke. Wir haben den Eindruck, dass die frühe Festlegung auf das Dondorf-Areal ohne weitere Prüfung ein Fehler war. Die Abrisspläne der Max-Planck-Gesellschaft beweisen dies unfreiwillig, zeigen sie doch schließlich, dass das Bestandsgebäude gar nicht geeignet für die Institutsnutzung ist. Wie der Öffentlichkeit ist auch uns die Einsicht in das entsprechende Gutachten bisher verwehrt geblieben.

Während der Besetzung konnten wir uns, wie viele andere Frankfurter:innen, ein Bild vom Inneren des Gebäudes machen; hier fanden Konzerte, Ausstellungen, Chorproben und andere Dinge statt. Dies zu verdrängen, war nie in unserem Sinne. Wir arbeiten und leben hier: Im Gegensatz zu den Verantwortlichen bei der Max-Planck-Gesellschaft sind wir Teil der Frankfurter Zivilgesellschaft. Auch sind wir darauf angewiesen, von eben dieser willkommen geheißen zu werden. Wir hegen ernsthafte Zweifel, ob dies – in Anbetracht der unzähligen Initiativen und Institutionen, die sich für den Erhalt der Dondorf-Druckerei einsetzen – weiterhin der Fall sein wird.

Klar ist aber auch: Wir brauchen neue Räumlichkeiten für unsere Forschung. Uns ist es darüber hinaus wichtig, dass wir Teil des Kulturcampus werden, aber nicht um jeden Preis – das gehört zu unserem Selbstverständnis als Forschungsinstitut, das mit der kulturellen Szene Frankfurts eng verknüpft ist. Daher würden wir uns wünschen, dass sich die Max-Planck-Gesellschaft, das Land Hessen und die Stadt Frankfurt gemeinsam bemühen, uns, dem Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik, ein anderes, geeignetes Grundstück zuzuweisen, das unseren Anforderungen entspricht. 

Dass wir uns zu diesem Thema nur in der Form eines anonymen offenen Briefes äußern können, spricht Bände. Instituts-intern, aber vor allem mit der Max-Planck-Gesellschaft findet kein Dialog zum Thema statt; die Institutsleitung und die Max-Planck-Gesellschaft beanspruchen zwar für sich, die Interessen des Max-Planck-Instituts zu vertreten, haben den Blick aber verengt und sind nun für Alternativen jenseits des Abrisses eines historischen Druckerei-Gebäudes kaum mehr erreichbar. Wir wollen mit diesem Brief dazu beitragen, den internen wie öffentlichen Diskurs wieder anzuregen.

Offener Brief 1.8.2023