Verfassungsklage gegen Studiengebühren - aus einem Erlebnisbericht zur Anhörung in Wiesbaden

Der Saal ist voll als die 11 RichterInnen in ihren blauen Roben ihn betreten. Die Studierenden, die Presse, die Antragssteller und die Vertreter der Landesregierung mitsamt Staatsminister a.D. Udo Corts erheben sich von ihren Plätzen. Der letzte Kampf um die Verfassungsmäßigkeit der Studiengebühren in Hessen hat begonnen. Nachdem die öffentliche Anhörung vor dem obersten hessischen Gericht begonnen hat, wird nun der Protest der Studierenden und ihrer mehr als 70.000 UnterstützerInnen von der Straße in den holzgetäfelten Verhandlungssaal getragen. Wie ernst die Lage ist, kann man an der angespannten und konzentrierten Atmosphäre erkennen, die herrscht, als die Anträge der StudiengebührengegnerInnen verlesen werden.

... Die Verlesung der Anträge zieht sich hin, dennoch sorgt die schriftliche Stellungnahme der Landesregierung streckenweise für allgemeine Belustigung und Gelächter. So wird versucht die Einführung der Studiengebühren damit zu begründen, dass der Landesregierung quasi keine andere Wahl blieb, weil man eine Flucht der Studierenden von gebührenpflichtigen Campi aus den übrigen Bundesländern nach Hessen befürchtete. Das widerspricht jedoch gleichzeitig der Darstellung der Landesregierung, Studiengebühren hätten keine abschreckende Wirkung. Auch die Behauptung, die bundesweit veränderte Hochschullandschaft verlange im Interesse von Wettbewerb und Diversität einen "bescheidenen Beitrag" der Studierenden zum Wohle eines schnelleren und qualitativ hochwertigeren Studiums, quittieren die ZuschauerInnen mit Unmut. Als dann noch die soziale Ungerechtigkeit allgemeiner Studiengebühren vor allem aufgrund der Verzinsung lapidar mit der Behauptung, dies läge an den unterschiedlichen Ausgangspositionen, deren Beseitigung gar nicht vom Art. 59 der hessischen Landesverfassung vorgesehen sei, abgetan wird, droht die Stimmung für kurze Zeit überzukochen. Doch dem Gerichtspräsidenten Günter Paul gelingt es die ZuschauerInnen zu beruhigen. So folgen die mündlichen Stellungnahmen und die Befragung durch die RichterInnen. Auf viele dieser Fragen haben die Vertreter der Landesregierung keine wirklich überzeugenden Antworten parat.
... Dass bei diesem Wettbewerb das Grundrecht bzw. die hessische Landesverfassung dem Vorhaben der Landesregierung klar entgegensteht, scheint die Vertreter der Landesregierung nicht sonderlich zu kümmern. Für sie ist der Art. 59 ein "buchstabengewordener Dissens", der einer "näheren Ausgestaltung durch den Gesetzgeber bedarf". Mit dieser Meinung steht die Landesregierung vorm hessischen Staatsgerichtshof ziemlich alleine da. Die Skepsis der RichterInnen vergrößert sich zusehends, als dann noch dreist behauptet wird, dass die vom Art. 59 vorgeschriebene Unentgeltlichkeit durchaus beachtet worden ist. Diejenigen, die am Ende ihres Studiums aufgrund zu niedrigen Einkommens die Darlehensschulden nicht zurückzahlen müssten, würden ja der Unentgeltlichkeit ziemlich nahe kommen. Die Landesanwältin Sacksofsky findet daraufhin deutliche Worte, "dass man das Darlehen nicht zurückzahlen muss, wenn man nach dem Studium nur arm genug ist" würde die Tatsache, dass eine "allgemeine Verpflichtung das Gegenteil von Unentgeltlichkeit" bedeutet nicht beseitigen. Spätestens jetzt sahen sich einige der Studierenden im Aufwind und auch die RichterInnen wurden noch kritischer. Auf die Frage was denn noch vom Grundrecht übrig bliebe, wenn eine allgemeine Gebührenpflicht bestünde reagieren die Vertreter der Landesregierung nervös.
Herr Corts lässt ab diesem Zeitpunkt andere für sich sprechen und es scheint, als ob nichts von seiner bemühten Gelassenheit übrig geblieben ist. Nach einer Reihe weiterer juristisch fragwürdiger Behauptungen seitens der Landesregierung kommt die Diskussion zu den so genannten Ausfallfonds, einen aus 10% der Studiengebühren finanzierten Fonds zur Sicherung des Ausfallrisikos der DarlehensnehmerInnen. Von Zweckentfremdung ist da die Rede. Die Landesregierung weiß wohl, um die Wichtigkeit dieser Fonds für das gesamte Studiengebührenmodell. Ist es doch allein dieser Fonds, der die Banken nach dem Wegfall des Hochschulpaktes dazu bewegen wird, den Studierenden bonitätsunabhängig Kredite zu gewähren. Ihr einziges Argument, dass das Darlehensmodell als Ganzes allen Studierenden zugute kommen würde und daher alle gemeinsam das Ausfallrisiko tragen müssten, sorgt nochmals für Stirnrunzeln unter den JuristInnen.
Die Anhörung wird nach über 4 Stunden beendet und die RichterInnen in ihren blauen Roben verlassen den Saal, in dem die Landesregierung wohl ein für allemal jegliche Gelassenheit verloren hat. Mit einer Entscheidung wird in einigen Monaten gerechnet und wenn das Urteil kommt, wird der Saal mit Sicherheit wieder voll sein.     

www.asta.uni-frankfurt.de, 15.2.08

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