Sozialstunden für Antifaschisten - TV-Richter verurteilt linken Demonstranten

Friedberg. Der 18-jährige Antifaschist und Gewerkschafter Nico P., der sich am 7. November vergangenen Jahres in Friedberg mit rund 2000 anderen Nazigegnern an friedlichen Blockaden gegen einen Naziaufmarsch beteiligt hatte, wurde heute vom Amtsgericht Friedberg zu 20 Sozialstunden verurteilt.

Der Vorwurf lautete Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Nico war von zwei Beamten gewaltsam aus der Blockade entfernt worden. Das Urteil stützte sich ausschließlich auf die Aussagen der Polizisten, die angaben, der Beschuldigte hätte sich dagegen zur Wehr gesetzt.
Der Richter argumentierte, die Beamten wären gezwungen gewesen, sich gegen die linken Demonstranten zur Wehr zu setzen und deshalb die Blockade aufzulösen. Setaré Radmanesch von der SDAJ Hessen erklärt dazu: „Offenbar haben Polizei und Justiz ein größeres Problem mit antifaschistischem Engagement als mit der faschistischen Hetze der NPD!“

Nach einer kurzen Verhandlung wurden sich Richter, Staatsanwältin und Jugendgerichtshilfe schnell einig: Nico P. muss 20 Sozialstunden ableisten. „Mit diesem Urteil wird einmal mehr antifaschistisches Engagement kriminalisiert. Der Aufmarsch der NPD in Friedberg wurde von der Polizei geschützt. Antifaschistische Demonstranten sind zuerst von der Polizei verprügelt worden, jetzt ist einer von ihnen auch noch verurteilt worden“, so Setaré Radmanesch.

Als der Verteidiger, Rechtsanwalt Michael Pietsch, den Richter nach dem Grund für dieses Urteil fragte, erhielt er nur zur Antwort: „Wehret den Anfängen!“ Bei dem Richter Ulrich Wetzel kann eine solche Kriminalisierung von Antifaschisten kaum verwundern: Er trat nicht nur über mehrere Jahre in der RTL-Serie „Das Strafgericht“ auf, er ist auch seit über 30 Jahren Mitglied der schlagenden Verbindung „Landsmannschaft Teutonia Würzburg“. Diese Verbindung vertritt bis heute revanchistische Positionen und erkennt die heutigen Grenzen der BRD nicht an. Darüber hinaus organisierte sie Veranstaltungen mit dem rechtskonservativen Journalisten Dr. Udo Ulfkotte, der in gängigen Nazi-Blättern veröffentlicht. In einer Verhandlung gegen Antifaschisten wird dieser Richter dann auch zum Ankläger: Die Staatsanwältin meldete sich während der ganzen Verhandlung nicht ein einziges Mal zu Wort.

Nico P. jedenfalls bereut sein „Verbrechen“ nicht: „20 Sozialstunden sind schon ärgerlich. Aber ich werde mich von solchen Repressionen auf keinen Fall davon abhalten lassen, auch beim nächsten Naziaufmarsch wieder zu blockieren!“

Die SDAJ Hessen fordert:

-    Grundgesetz umsetzen – Naziaufmärsche und Naziorganisationen verbieten!

-    Schluss mit Repressionen gegen AntifaschistInnen!

 

15.04.2010, Pressemitteilung der Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend Hessen

 

HINTERGRUND:

Im vergangenen November waren es mehr als 2000 AntifaschistInnen, die sich rund 100 Nazis in Friedberg erfolgreich in den Weg stellten. Das große Wetterauer Bündnis gegen Rechts, das aus knapp 80 Gruppen, Vereinen, Parteien, den Kirchen und Einzelpersonen besteht, setzte in der Blockade auf "Masse und Entschlossenheit" und konnte die Nazis dadurch daran hindern,  mitten durch die Stadt zu marschieren. Die Polizei ermöglichte den Nazis gleichzeitig eine Ersatzroute. Sie kesselte die antifaschistische Blockade ein, nahm die Personalien der NazigegnerInnen auf und fing an die Blockade mit Gewalt zu räumen. Von dieser Räumaktion ebenfalls betroffen war Nico P. Nachdem er sich an seinen MitdemonstrantInnen festhielt, um nicht aus der Blockade gerissen zu werden, schlug die Polizei auf ihn ein und entfernte ihn aus der Menschenkette.
Durch diese und ähnliche Räumaktionen ermöglichte es die Polizei den Nazis am 7. November 2009 unter großem Polizeischutz am Stadtrand zu marschieren und ihre menschenverachtende, faschistische Ideologie zu verbreiten. Nico P. und die anderen 2000 AntifaschistInnen zeigten einen enormen Mut und eine breite Entschlossenheit und konnten dadurch verhindern, dass die Nazis mitten durch Friedberg marschierten. Sie zeigten Zivilcourage, indem sie sich den Nazis friedlich und gewaltfrei in den Weg stellten. Trotzdem waren sie es, die von Polizeigewalt betroffen waren, und nicht etwa  der wegen Volksverhetzung vorbestrafte Bundesvorsitzende der NPD  Udo Voigt oder der ebenfalls vorbestrafte Nazi Mario Matthes. Letztere konnten unter großem Polizeischutz in Friedberg marschieren.