Stellungnahme zu den Gesetzentwürfen für eine Erhebung einer Fehlbelegungsabgabe

MIETER HELFEN MIETERN Frankfurt e.V. lehnt eine Fehlbelegungsabgabe grundsätzlich ab. In dieser Stellungnahme gehen wir daher in erster Linie auf die Argumentation der Landesregierung zum Sinn und Zweck einer Fehlbelegungsabgabe ein.

Fördermittel fließen den falschen Personen zu (?)
Die Wortwahl der Landesregierung erscheint fast dramatisch: Die betreffenden Mieter „sind nicht zum Auszug verpflichtet, obwohl ihnen die Wohnung eigentlich nicht mehr zusteht. ...(Mieter,) die auf den Bezug einer Sozialwohnung angewiesen wären, müssen sich stattdessen auf dem frei finanzierten Wohnungsmarkt mit teurerem Wohnraum versorgen. Es entsteht eine Fehlförderung.“

a) Andere Bundesländer
Gegen die Einführung einer Fehlbelegungsabgabe spricht zunächst der Umstand, dass es in einigen anderen Bundesländern eine solche Regelung zwar bis vor ca. 15 Jahren gab, dass aber - bis auf Rheinland/Pfalz (Mainz) - die Abgabe überall abgeschafft wurde und auch nicht wieder eingeführt werden soll.
Es gibt also keinen rechtlichen Handlungsbedarf für dieses Gesetz; eher scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Es muss gute Gründe gegen die Fehlbelegungsabgabe geben, die von der Regierung hier nicht thematisiert wurden.

b) Betroffene Mietergruppe (Abgrenzung)
Unbestritten darf ein Haushalt nicht schon dann zum Fehlbeleger werden, wenn das Einkommen die Grenze der Berechtigung zum Bezug einer Sozialwohnung überschreitet. Die Frage, ab welchem Prozentsatz der Überschreitung eine Abgabe zu zahlen ist, ist eine politische Wertung. Die gewählte Grenze von 20% ist (auch gemessen an den bisherigen Modellen) der denkbar kleinste Einkommensspielraum. Die Einkommensgrenze ist hier so niedrig wie nur möglich angesetzt.
Inwieweit z.B. die Heranziehung bei Einkommen für Einpersonenhaushalte und Alleinerziehende ab ca. 18.000 € und für Zweipersonenhaushalte (2 Erwachsene) ab ca. 28.000 € gerecht ist, ist eine Frage der Bewertung. Es kann durchaus sinnvoll zu bewerten sein, die „Wohltat“ der geförderten Miete auch Mietern mit mittleren Einkommen zukommen zu lassen, statt die Miete auf die ortsübliche Vergleichsmiete anzuheben. Argumente hierfür findet man u.a. in den vielfältigen Modellen, die in Ffm. hinsichtlich Miethöhebeschränkungen für Mieter der städtischen Wohnungsgesellschaft (ABG) diskutiert werden.
(Hier wird noch einmal besonders deutlich, dass die Gesetzesvorlage auch mit der Verpflichtung der Kommunen, die Abgabe ausnahmslos einführen zu müssen, die Situation der Mieter ignoriert.)

c) Einkommensverteilung in der betroffenen Mietergruppe
Es ist davon auszugehen, dass (hauptsächlich) kleine Leute betroffen sein werden.
Die Landesregierung ist in der Lage, die Mietergruppe der Fehlbeleger, deren Einkommensart (erwerbstätig/Transferleistung/Rente usw.) und deren Einkommensgruppenverteilung relativ gut zu beschreiben. Denn bis vor ca. 4 Jahren galt in Hessen die frühere Fehlbelegungsabgabe, woraus umfangreiches Datenmaterial zur Verfügung steht. Wir gehen davon aus, dass entsprechende Auswertungen vorliegen, die aber nicht veröffentlicht wurden.
Für die Einschätzung der Auswirkungen der Fehlbelegungsabgabe ist die Kenntnis der Anzahl und Einkommensverteilung der Betroffenen von entscheidender Bedeutung.
MIETER HELFEN MIETERN war in öffentlichen Statements immer unwidersprochen davon ausgegangen, dass der weit überwiegende Anteil der von der Abgabe betroffenen Mieter aus den niedrigen bis mittleren („untere Mittelschicht“) Einkommensgruppen stammt und dass es sich hierbei nach unserer Auffassung nicht um Fehlbeleger handelt. Das von den Befürwortern der Abgabe gerne zitierte Beispiel von dem fehlbelegenden Gutverdiener spielt keine nennenswerte Rolle, was auch indirekt durch die in Sozialsiedlungen relativ nachteiligen Wohnverhältnisse indiziert ist. Daraus lässt sich die Funktion der Fehlbelegungsabgabe darin zuspitzen, dass Bewohner von Sozialwohnungen mit kleinem Einkommen, wie Krankenpfleger, Verkäuferinnen oder Polizisten, einen Extra-Beitrag leisten müssen, um die Fördermittel für den Sozialen Wohnungsbau aufzustocken.

d) Freimachung für Bedürftige
Auch die Landesregierung scheint nicht davon auszugehen, dass durch Einführung der Abgabe preisgebundene Wohnungen für Bedürftige frei werden. Würde es sich um einen besserverdienenden Fehlbeleger handeln, würde dieser die Abgabe kaum als Belastung bzw. Anreiz zum Umzug empfinden. Für die üblichen Geringverdiener besteht hingegen keine Chance, sich auf dem freien Wohnungsmarkt anderweitig zumutbar zu versorgen.

e) Generierung zusätzlicher Fördermittel
Der Planungsdezernent der Stadt Frankfurt gibt die zu erwartenden jährlichen Einnahmen mit ca. 4 Millionen € an (Schätzgrundlage?, sinkende Abgaben durch Verkleinerung des Sozialwohnungsbestands!). Das ist gemessen am Haushalt der Stadt bzw. an den 1,7 Milliarden Euro, die die ABG FRANKFURT HOLDING in den nächsten 5 Jahren investieren will, ein „Klacks“ und steht damit in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem erforderlichen Aufwand und den nachteiligen Effekten.

f) Heranziehung der Eigentumsförderung (Gerechtigkeit)
Eine Fehlbelegungsabgabe muss auch auf die öffentliche Förderung zur Bildung von Wohneigentum ausgedehnt werden.
Die Landesregierung hat seit den 2000er Jahren aus dem Topf des Sozialen Wohnungsbaus bis vor 2 Jahren vorrangig die Eigentumsbildung gefördert. Zwar dürften die Nutznießer dieser Förderung nur einen Bruchteil der mietpreisgebundenen Sozialwohnungen ausmachen (Die genauen Zahlen sind uns nicht bekannt.). Nach dem von der Landesregierung in der Gesetzesbegründung mehrfach zitierten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juni 1988 ist die Fehlbelegungsabgabe nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz von allen besserverdienenden Nutznießern zu erheben. Bei der Eigentumsförderung wären die Zinsverbilligung sowie die Zuschüsse abzuschöpfen.
Die durch das damalige bundesgesetzliche Ermächtigungsgesetz früher bestehende Behinderung gegen eine Abgabepflicht bei Eigentumsförderung ist durch das von der Landesregierung mehrfach erwähnte Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 entfallen. Die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz - einschließlich Ermessensspielraum zur Ausdehnung auf die Eigentumsförderung - liegt seither bei den Ländern.