Vor der Europawahl: Die extreme Rechte auf dem Vormarsch

Mit Blick auf die kommenden Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2024 müssen wir mit großer Sorge registrieren, dass sich extrem nationalistische, rassistische und offen faschistische Parteien in vielen europäischen Staaten auf dem Vormarsch befinden.

Finnland
Schon bei der finnischen Parlamentswahl im April 2023 waren die extremen Rechten „Wahren Finnen" mit 20 Prozent zweitstärkste Partei hinter der Nationalen Sammlungspartei des Ministerpräsidenten Petteri Orpo geworden. Seit dem 20. Juni sind sie Teil einer Vierer-Koalition und besetzen wichtige Ministerposten und Parlamentsfunktionen. Finnland erlebt gegenwärtig einen starken Rechtsruck. Zwar trat Ende Juni 2023 nach einem knapp überstandenen Misstrauensvotum im Parlament der Wirtschaftsminister Vilhelm Junnila von den „Wahren Finnen" nach nur zehn Tagen im Amt zurück, als rassistische Äußerungen Junnilas aus dem Jahr 2019 öffentlich wurden. Damals hatte er Abtreibungen in Afrika zur Bekämpfung der Klimakrise gefordert und an offen rassistischen Veranstaltungen teilgenommen. Da die Rechtsregierung jedoch die NATO-Aufnahme des Landes forciert und gleichzeitig die Militarisierung der EU unterstützt, war aus Brüssel – wie schon bei Meloni in Italien – keinerlei Kritik an dieser neuen Rechtsregierung zu hören.

Polen
Anders verhält es sich bei der polnischen PiS-Partei. Dort hat sich die Europäische Kommission deutlich gegen den reaktionären Staatsumbau positioniert. Während man in Brüssel hoffte, diese Kritik könnte den genehmen Kandidaten Tusk unterstützen, muss man aktuell feststellen, dass die PiS nur von einer Seite Konkurrenz erhält, nämlich durch die extrem rechte Partei Konfederacja. Diese liegt in Umfragen bei bis zu 14 Prozent. Bei den Parlamentswahlen im Herbst könnte die Partei zum Königsmacher werden. Ihr Spitzenkandidat Slawomir Mentzen (36 Jahre) präsentiert sich als junger Antipolitiker, seine Partei als Gegenentwurf zum Establishment. Während die PiS-Partei ihre reaktionäre Politik mit Sozialleistungen für die Schwächsten der Gesellschaft garniert, propagiert die Partei Konfederacja ein radikal marktliberales Programm, nach dem jeder Mensch für das eigene Schicksal verantwortlich ist, ohne Rücksichtnahme auf Arme und Schwache. Einfache, pauschale Steuersätze, das Ende teurer Sozialprogramme. Folgerichtig lehnt Konfederacia als einzige Partei in Polen die Aufnahme geflüchteter Ukrainer ab.
2019 erklärte Mentzen, die Konfederacja sei gegen "Juden, Homosexuelle, Abtreibungen, Steuern und die Europäische Union". Ein anderer Parteivertreter erklärte: "Weder Deutsche noch Juden werden uns Geschichte beibringen. ... Keine Perversen werden unsere Kinder erziehen und ihnen Toleranz beibringen. Und keine Eurokolchose der Volkskommissare wird uns erklären, wie wir unser eigenes Land führen sollen."

Deutschland
Deutlichen Einfluss in Europa erwartet sich auch die Alternative für Deutschland (AfD), die auf ihrem jüngsten Parteitag die Kandidatenliste und das Wahlprogramm beschlossen hat. Da Demoskopen ihnen im Moment etwa 20% der Wählerstimmen vorhersagen, waren die Begehrlichkeiten groß. Als Spitzenkandidat gewählt wurde ein Vertreter, der bei den französischen Präsidentschaftswahlen nicht LePen, sondern Zemmour unterstützt hatte. Im Wahlprogramm wird der Umbau der Europäischen Union gefordert, wobei der rechte Frontmann Höcke davon sprach, dass die Europäische Union sterben müsse, damit ein Europa der Vaterländer leben könne.

Spanien
Ein deutlicher Rechtsruck war auch bei den vorgezogenen Parlamentswahlen in Spanien im Juli 2023 zu verzeichnen. Dass die postfranquistische Partido Popular (PP) stärkste Partei geworden ist, war schon vor dem Wahltermin angenommen worden. Für eine absolute Mehrheit reicht es jedoch nicht, die PP ist auf Unterstützer angewiesen, insbesondere die extrem rechte Vox, mit der die PP bereits in mehreren Regionalparlamenten Spaniens, wie Valencia, regiert. Zwar konnte auch VOX Stimmen gewinnen, jedoch weniger als erhofft. Das politische Programm von VOX ist eine Sammlung von extrem rechten Versatzstücken. Natürlich wendet man sich gegen jegliche Migration, außerdem leugnen die extremen Rechten den Klimawandel, verfolgen eine antifeministische Agenda und streben eine strikte Zentralisierung an. Dafür wollen sie den autonomen Gebieten in Spanien ihre Rechte entziehen.
Zwar dürfte die sozialdemokratische PSOE weiterhin die Regierung stellen, aber der Einfluss der offenen Rechten ist auch in Spanien gewachsen.

Die FIR verfolgt diese politische Entwicklung in den verschiedenen europäischen Ländern mit großer Sorge. Nur wenn es gelingt, eine breite gesellschaftliche Gegenbewegung mit Gewerkschaften und Sozialverbänden zu schaffen, können wir der drohenden Rechtsentwicklung in Europa Einhalt gebieten.

FIR Newsletter 2023-32 dt.