Zivile Opfer durch türkische Drohnenangriffe in Nordirak und Nordsyrien

In den letzten Tagen haben die türkischen Drohnenangriffe in der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak (Südkurdistan) und in den Selbstverwaltungsgebieten in Nordsyrien (Rojava) deutlich zugenommen.

Bei den jüngsten Angriffen sind auch vermehrt zivile Opfer zu beklagen, wie zuletzt bei einem Angriff im nordirakischen Distrikt Pêncwên im Gouvernement Silêmanî (Sulaimaniyya). Bei dem Angriff am vergangenen Freitag auf ein Fahrzeug wurden drei Personen einer Familie getötet. Bei den Opfern handelt es sich um Hasan Ahmed Newzad und Zaynab Mustafa, ein Ehepaar aus Dihok, und ihre erwachsene Tochter Riyam. Das Fahrzeug der Familie war am Freitagnachmittag gegen 15.30 Uhr Ortszeit mitten auf einer belebten Verbindungsstraße von einer unbemannten Kampfdrohne des türkischen Staates beschossen worden. Auf Videoaufnahmen vom Ort des Angriffs war zu sehen, dass das Auto im Graben der Autobahn in Flammen stand.

Zunehmende türkische Angriffe im Nordirak

In der vergangenen Woche kam es gleich zu mehreren Drohnenangriffen des türkischen Staates, bei denen Zivilist:innen um Leben kamen. Am vergangenen Donnerstag starb der Zivilist Nejwan Abdullah aus Helebce, der am Vortag bei einem Angriff auf sein Auto im Gouvernement Silêmanî schwer verletzt worden war. Am Sonntag zuvor starb der Zivilist Alan Ismail bei einem türkischen Luftangriff im Gouvernement Dohuk, ein weiterer Mann wurde schwer verletzt. Kurz zuvor hatte es in der Gemeinde Çemçemal westlich von Silêmanî einen Drohnenangriff gegeben, bei dem zwei Menschen getötet wurden. Am 28. Juli wurde in der Region Şarbajêr nördlich von Silêmanî ein Auto von einer Drohne angegriffen. Tödliche Drohnenangriffe der Türkei auf irakischem Territorium gab es in jüngerer Vergangenheit auch im êzîdîschen Siedlungsgebiet Şengal und im selbstverwalteten Flüchtlingscamp Mexmûr.

Nordsyrien ebenfalls weiterhin Angriffsziel türkischer Drohnenangriffe

Die Autonomieregion Nord- und Ostsyriens (AANES) war zuletzt am 3. August Schauplatz eines schweren Drohnenangriffs der Türkei. Wie die Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) mitteilten, wurden dabei vier ihrer Mitglieder getötet. Zwei weitere SDF-Mitglieder wurden schwer verletzt. Die Kämpfer waren auf dem Weg in den Urlaub, als ihr Fahrzeug beschossen wurde. Bereits am 27. Juli waren bei einem türkischen Drohnenangriff nahe der nordsyrischen Kleinstadt Amûdê vier Kämpfer der SDF-Einheiten getötet worden. Die SDF gelten in Syrien als wichtigster Verbündeter der internationalen Koalition im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS).

In der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien sterben seit Jahren immer wieder Menschen durch völkerrechtswidrige Drohnenangriffe der Türkei. Die Angriffe richten sich gezielt gegen Vertreterinnen und Vertreter der Selbstverwaltungsstrukturen, Mitglieder der Verbände der Demokratischen Kräfte Syriens sowie gegen die Zivilbevölkerung. Allein im ersten Halbjahr 2023 wurde Nord- und Ostsyrien mindestens 34 Mal von türkischen Drohnen bombardiert. Dabei wurden 44 Menschen getötet und 29 verletzt. Etwa ein Drittel der Opfer waren Zivilist:innen.

Kritik am internationalen Schweigen zu fortlaufenden türkischen Angriffen

Die anhaltenden türkischen Drohnenangriffe in den kurdischen Siedlungsgebieten haben bislang kaum internationalen Protest hervorgerufen. Die Autonome Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens (AANES) kritisiert dieses Schweigen und macht deutlich, dass die Angriffe auch den Kampf gegen den IS in der Region nachhaltig schwächen. Die AANES kritisiert ebenfalls, dass die USA und Russland, die sich als Garantiemächte der Waffenstillstands- und Deeskalationsabkommen von 2019 gegen eine militärische Eskalation durch die Türkei ausgesprochen haben, die täglichen Angriffe ignorieren und türkische Drohnen unbehelligt durch den von Washington und Moskau kontrollierten syrischen Luftraum fliegen.

Auch kurdische Europadachverband KCDK-E verurteilt die Tötung von Zivilpersonen in Kurdistan durch den türkischen Staat. In einer heute veröffentlichten Erklärung weist der Verband auf die zunehmenden Angriffe auf die Zivilbevölkerung insbesondere in der Region Kurdistan im Irak hin. Ziel dieser Angriffe sei es, die Menschen aus dem Nordirak (Südkurdistan) zu vertreiben. Für dieses Ziel verletze der türkische Staat die irakische Souveränität und begehe Massaker an Zivilist:innen, so der KCDK-E: „Allein im letzten Monat haben fünf Angriffe auf Zivilpersonen stattgefunden. Diese Massaker finden vor den Augen der Weltöffentlichkeit statt. Die Regierungen des Irak und Südkurdistans schweigen dazu und verschließen die Augen. Damit geben sie stillschweigend ihre Zustimmung zu den stattfindenden Besatzungsangriffen“.

Pressemitteilung 14.8.2023