Ampel-Regierung opfert Grundrechte in aufgeheizter Abschiebungsdebatte

Am heutigen Mittwoch soll im Kabinett der von Nancy Faeser vorgeschlagene Entwurf zum "Gesetz zur Verbesserung der Rückführung" beschlossen werden. Diese rechtsstaatlich fragwürdigen Verschärfungen rund um Abschiebungen sind jedoch schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte ohne jede Verhältnismäßigkeit, die dem Rechtspopulismus weiter Vorschub leisten. Zudem werden die Kommunen so nicht entlastet.

Der Gesetzentwurf sieht unter anderem eine Ausweitung des Ausreisegewahrsams auf 28 Tage und der Abschiebehaft auf bis zu sechs Monate vor. Außerdem sollen mit der Abschiebung beauftragte Personen quasi jedes Zimmer - auch nachts - in einer Geflüchtetenunterkunft betreten dürfen, traumatisierende nächtliche und überfallartige Abschiebungen sollen forciert werden. Zudem sollen durch neue Regelungen massenhaft und ohne Verhältnismäßigkeitsprüfung Handys ausgelesen werden können.

Noch mehr Härte und Verletzungen der Grundrechte

"Die Bundesregierung opfert mit dem Abschiebungsgesetz die Grundrechte der Betroffenen dem aktuellen rechtspopulistischen Diskurs. Verschärfte Abschiebungsregeln werden kaum dazu führen, dass nennenswert mehr Menschen abgeschoben werden, aber sie führen zu noch mehr Härte und Verletzungen der Grundrechte. Schon jetzt ist jede zweite Abschiebungshaft rechtswidrig, schon jetzt werden Familien getrennt und Kinder nachts aus dem Schlaf gerissen. Dabei ist schon lange klar: Abschiebungen lösen weder die Probleme der Kommunen noch die Herausforderungen bei der Aufnahme fliehender Menschen", kommentiert Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL.

Die von Nancy Faeser vorgeschlagenen Maßnahmen greifen unter anderen in das Recht auf Freiheit (Artikel 2 Abs. 2 Grundgesetz), das Recht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Grundgesetz) - das auch für Zimmer in Geflüchtetenunterkünften gilt - sowie in das Recht auf informelle Selbstbestimmung und Privatsphäre (Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz) ein.

Debatte über ausreisepflichtige Personen oft verzerrt

Mit diesem Abschiebungs-Verschlimmerungsgesetz wird so getan, als würden noch härtere Abschiebungen zur Entlastung von Kommunen führen. Dabei bekommen aktuell 71 Prozent der Menschen, deren Asylgründe vom BAMF geprüft werden, Schutz in Deutschland. Die Quote liegt damit auf Rekordniveau und beweist, dass der allergrößte Teil der Menschen, die nach Deutschland kommen und Schutz suchen, sehr gute Asylgründe hat. Deshalb sollte der Fokus auf ihrer Aufnahme und nicht auf Abschiebungen liegen.

Auch die öffentliche Debatte über ausreisepflichtige Personen ist oft verzerrt: Ende 2022 lebten knapp 250.000 Menschen mit einer Duldung in Deutschland und waren ausreisepflichtig. Viele der Ausreisepflichtigen können jedoch überhaupt nicht abgeschoben werden, auch wenn unterschiedliche Politiker*innen das immer wieder suggerieren: Rund 3.000 Geduldete können wegen schwerwiegender medizinischer Gründe nicht abgeschoben werden. In 25.000 Fällen wurden Duldungen wegen familiärer Bindungen erteilt, die eine Abschiebung nicht zulassen.

Auch Menschen in einer Berufsausbildung bleiben in Deutschland bislang in der Duldung, sind damit weiterhin ausreisepflichtig und Teil der Statistik: Ende 2022 waren das 6.000 Auszubildende. Zudem wird nur lediglich neun Prozent der 300.000 geduldeten Menschen vorgeworfen, ihre eigene Abschiebung zu verhindern, weshalb sie eine sogenannte Duldung Light haben.

Gegen rechtspolitischen Diskurs und falsche Lösungen

PRO ASYL fordert alle demokratischen Parteien im Bundestag auf, Ziel und Mittel des Abschiebegesetzes zu hinterfragen, die flüchtlingsfeindliche Debatte zu beenden und stattdessen echte Lösungen zur Entlastung von Kommunen zu verfolgen. Rund 136.000 Geduldete könnten zum Beispiel von einer großzügigen Anwendung des Chancen-Aufenthaltsrechts profitieren, was die Zahl der Ausreisepflichtigen verringert.

Pressemitteilung 25.10.2023