Der BUND wehrt sich gegen ungerechtfertigte Kostenforderungen des Landes und der FRAPORT AG: Rechtsschutz nur noch für Reiche? – Klagekosten müssen kalkulierbar bleiben!
Der Rechtsschutz des Bürgers ist in Gefahr. Geht es nach dem Willen des von Dieter Posch (FDP) geführten Hessischen Wirtschaftsministeriums und der Fraport AG, dann können Klagen gegen neue Straßen, Landebahnen, Eisenbahnstrecken und andere Großvorhaben aufgrund unkalkulierbarer Kostenrisiken künftig nicht mehr erhoben werden.
Dies wäre die Konsequenz aus
Kostenforderungen von mehr als einer halben Million Euro in den
Flughafenverfahren. „Folgt das Gericht den Argumenten des
Wirtschaftsministers und der Fraport, dann können Kläger künftig von
einer unkalkulierbaren Kostenlawine überrollt werden“, warnt BUND
Vorstandssprecherin Brigitte Martin. Dieses Risiko wäre für Bürger und
Verbände untragbar. Ihr Klagerecht würde ausgehöhlt. Der BUND hat
deshalb heute den Hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier zum
Eingreifen aufgefordert. BUND Vorstandssprecherin Brigitte Martin: „Der
Ministerpräsident muss diesen Unfug stoppen. Es kann doch nicht Ziel der
Landesregierung sein, dass der Zugang zum Verwaltungsgericht über
nachträgliche Kostenforderungen unmöglich gemacht wird.“
Die Auseinandersetzung begann, als die Richter den
Ausbau des Frankfurter Flughafens genehmigt hatten. Denn statt der
üblichen Forderungen in Höhe von einigen Tausend Euro präsentierten der
Wirtschaftsminister und die Fraport AG den Klägern gegen den
Flughafenausbau Rechnungen über mehr als eine halbe Million Euro. Allein
vom BUND fordern das Wirtschaftsministerium und die Fraport AG rund
300.000 Euro. Forderungen in dieser Höhe sind für den BUND nicht nur ein
Angriff auf das Verbandsklagerecht, sondern sie untergraben die
Rechtsschutzmöglichkeiten aller Bürgerinnen und Bürgern gegen
Planungsentscheidungen.
Die Rechtsanwältin des BUND Hessen, Ursula
Philipp-Gerlach, bezeichnet die Ansprüche „nicht nur in der Höhe als
einzigartig“, sondern sie sieht auch einen Widerspruch zur bisherigen
Rechtsprechung Erst jüngst hatte das höchste Bayerische
Verwaltungsgericht wieder entschieden, dass die Sachverständigenkosten
eines Landes oder eines Unternehmens „regelmäßig unter keinem
Gesichtspunkt zu den erstattungsfähigen Verfahrenskosten“ gehören können
(VGH München vom 28.01.2010 Az.:8 M 09.40063) (1).
Für BUND Sprecherin Brigitte Martin ist die Begründung
der Forderungen politisch völlig indiskutabel, da die Kläger weder vor
noch während des Prozessverlaufs die Höhe der vorgetragenen Kosten
erkennen oder gar beeinflussen konnten: „Es kann doch nicht sein, dass
Bürger und Kommunen für Gutachten aufkommen sollen, die ein beklagtes
Land und ein beklagtes Unternehmen ohne jede Einflussmöglichkeit des
Klägers in Auftrag geben.“ (2)
Zur Durchsetzung seiner Ziele greift das
Wirtschaftsministerium, das vom BUND über 120.000 Euro fordert, zu
absurden Argumenten. So verlangt es die Kostenerstattung für Gutachten
in Höhe von 26.534,38 Euro, die durch Aufträge an einen privaten
ornithologischen Gutachter entstanden sind. Obwohl der BUND Hessen
seinen Sachverstand zu der Frage, welche Beeinträchtigungen die
Lärmzunahme für das Vogelschutzgebiet in der Nachbarschaft des
Flughafens auslöst, ausschließlich durch seinen Naturschutzreferenten
eingebracht hat, behauptet der Wirtschaftsminister, der BUND Hessen habe
die Einholung von Sachverständigengutachten „notwendig gemacht“, weil
der geballte Sachverstand der eigenen Naturschutzbehörden und der
Staatlichen Vogelschutzwarte nicht ausgereicht habe, um den
BUND-Argumenten entgegenzutreten. Der Naturschutzreferent des BUND
Hessen ist Diplom-Agraringenieur und hat sich sein ornithologisches
Wissen autodidaktisch angeeignet.
Schreiben des BUND Hessen an Ministerpräsideten Bouffier vom 27.09.2010:
http://cms.bund-hessen.de/hessen/dokument/20100927_Offener_Brief_Zugang_Verwaltungsgerichte.pdf
Hinweise:
(1)
VGH München vom 09.09.2010 (8 M 09.40063, Rand-Nr. 8:
„Dies bedeutet jedoch für ein sich anschließendes
Verwaltungsstreitverfahren, dass Kosten für die Hinzuziehung von
Sachverständigen auf Seiten des beklagten Hoheitsträgers oder auf Seiten
des von der Planfeststellung begünstigten Vorhabensträgers regelmäßig
unter keinem Gesichtspunkt zu den erstattungsfähigen Verfahrenskosten im
Sinn von § 162 Abs. 1 VwGO zählen können. ... Dass die Planungskosten
eines Vorhabens nicht jenen Bürgern in Rechnung gestellt werden können,
die sich nach Ergehen des Planfeststellungsbeschlusses erfolglos mit
einer Klage gegen die Planung wenden, liegt jedoch auf der Hand.
Sachverständigenkosten, die ein vom Planfeststellungsbeschluss
begünstigter privater Vorhabensträger aufwendet, um als im
Verwaltungsprozess Beigeladener die Behördenentscheidung und seine
hiermit erreichte Rechtsstellung auch im gerichtlichen Verfahren zu
verteidigen, fallen somit ebenfalls noch in den Bereich seiner mit der
Planung zusammenhängenden Darlegungspflichten, insbesondere wenn – wie
vorliegend – der im Planungsverfahren beauftragte Sachverständige in der
mündlichen Verhandlung Teilaspekte der Planung plausibilisiert.“
(2)
Üblich ist der Erstattungsanspruch, wenn das Gericht die Vergabe von
Gutachten einfordert. In diesem Fall erkennen beide Prozessparteien das
steigende Kostenrisiko. Hingegen sind Gutachten, die eine Partei
unaufgefordert in den Prozess einführt, nicht erstattungsfähig. Solche
Gutachten heißen in der juristischen Fachsprache deshalb
„Parteigutachten“.
Frankfurt, 27. September 2010
BUND Landesverband Hessen e.V.
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