Die Münchener Umwandlungsbremse - Modell gegen den Ausverkauf von Stadtteilen wird bei uns wohl Wahlkampfthema

Die SPD hat die Idee in ihr gerade veröffentlichtes Kommunalwahlprogramm aufgenommen; und die LINKE hatte schon vor ein paar Wochen einen Antrag gestellt: Nach Münchner Vorbild könnte auch in Frankfurt ein stadtplanerisches Instrument geschaffen werden, um Wohngebäude in attraktiven Lagen vor dem Verkauf an profitorientierte Immobilienfirmen zu bewahren.

Ermöglicht wird dies in München durch einen genossenschaftlichen Dachverband, die GIMA, die den Übergang (Erwerb) des Wohnraums auf einzelne Genossenschaften organisiert. Diese erhalten die Gebäude entweder direkt von den Hausbesitzern oder (2 Jahre) nach Ausübung eines Vorkaufsrechts von der Stadt.

Neue Umwandlungswelle
Seit Mitte der siebziger Jahre erlebt Frankfurt am Main eine Umwandlungswelle nach der anderen. Längst sind die großen Wohnungen in guten Lagen verwertet. Immer weniger Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen können in Frankfurt wohnen bleiben bzw. eine Wohnung finden. Die letzte Umwandlungswelle erfasst jetzt auch die übrig gebliebenen, nämlich die weniger attraktiven Wohnungen und trifft damit Mieter, die z.B. in kleineren Wohnungen an verkehrsreichen Straßen leben müssen. 
Grundsätzlich sind sich fast alle Politiker einig, dass diese Entwicklung aufgehalten werden muss. Doch dagegen sei „kein
Kraut gewachsen“.

Verschlechterter Kündigungsschutz
Die Wohnraumverwertung wurde zum Jahresanfang noch einmal angeheizt, indem die CDU/FDP-Landesregierung den
in Frankfurt geltenden Schutz vor Eigenbedarfskündigungen für umgewandelte Wohnungen von 10 auf 5 Jahre verkürzte (Ein schwacher Trost, dass dies nicht rückwirkend gilt, wodurch wenigstens für die vor 2010 verkauften Wohnungen weiter der 10-Jahres-Schutz bestehen bleibt). Hierbei handelt es sich um ein Landesgesetz, wofür man im Römer keine Verantwortung trage(!).

„Aussterbender“ Eigentümertyp
Die Eigentümerlobby hat im Abbau des Kündigungsschutzes naturgemäß keine negativen Effekte - wie Mietervertreibungen - gesehen. Die Vereinigung der Grund-, Haus- und Wohnungseigentümer hatte aber (bereits früher) auf einen mit den Umwandlungswellen eng verbundenen Strukturwandel hingewiesen: Das (tendenzielle) „Aussterben“ eines früher vorherrschenden Eigentümertyps: Der Privatmann mit relativ wenig Grundbesitz. An dessen Stelle treten Immobiliengesellschaften, die auf das Umwandlungsgeschäft spezialisiert sind.
Die Ursachen für diese Entwicklung sehen wir im Wesentlichen nicht in der Überforderung von älteren Hausbesitzern, zumal es hierfür Hausverwaltungen gibt; sondern vielmehr in dem durch das Umwandlungsgeschäft erzeugten Verwertungsdruck bzw. in der Immobilienpreisentwicklung. Richtig ist jedoch die Beschreibung eines Strukturwandels, der uns die Dringlichkeit eines Gegensteuerns durch die Politik verdeutlicht.

Der alternative Erwerber
Es gibt sie, die Fälle, in denen (nicht nur bisher überforderte) Mietshauseigentümer einen Käufer suchen, der zwar nicht den Höchstpreis zahlt, der aber gewährleistet, dass die Mieter in Ruhe wohnen bleiben können. Für solche Fälle gibt es in Frankfurt keine Hilfeorganisation. Dieser Ausgangspunkt war in München ein Motiv für die Gründung der GIMA (Genossenschaftliche Immobilienagentur, http://www.gima-muenchen.de).
Auch Mieter können sich in München an die GIMA wenden, a) wenn sie ihrem verkaufswilligen Vermieter einen sozial
orientierten, zuverlässigen Erwerber vermitteln wollen oder b) wenn sie als Mietergemeinschaft das Haus in Genossenschaftsform erwerben wollen.

Vorkauf bei Erhaltungssatzungen
Das kommunale Vorkaufsrecht kann nur unter bestimmten Bedingungen ausgeübt werden. Hier kommt insbesondere das
Bestehen eines Erhaltungssatzungsgebiets mit Milieuschutz in Frage.
Erhaltungssatzungen können auf zwei Zwecke gestützt sein: a) Erhaltung der städtebaulichen Eigenart und b) Erhaltung
der Einwohnerstruktur (= Milieuschutz).
Zwar gibt es in innenstadtnahen Stadtteilen Frankfurts (Sachsenhausen, Nordend, Westend und Gutleut) 6 Gebiete mit
Erhaltungssatzungen. Doch nur für das westliche Westend gilt Milieuschutz. Um das Münchner Modell zu verwirklichen,
müssten also möglichst viele Satzungen überarbeitet werden.
Nach bisherigen Erfahrungen gibt es hiergegen politische Widerstände. Offiziell heißt es, Milieuschutzsatzungen seien
kaum realisierbar, weil sie voraussetzen, dass ein schützenswertes Milieu vorliege, welches aus einer (seit Jahrzehnten)
unveränderten Bevölkerungsstruktur bestehen muss. Und durch die rasanten Verdrängungen der letzten Jahre sei keine
homogene Struktur mehr vorhanden. 
Dieses Argument beruft sich zwar auf das Gesetz. Doch im Gesetz findet sich hierzu kein Anhaltspunkt; insbesondere nicht in der Art, dass die Bevölkerungszusammensetzung längere Zeit konstant gewesen sein muss. Vielmehr dürfte unstreitig sein, dass die heute herrschende stadtplanerische Maxime einer „durchmischten“ Bevölkerung dem Gesetzeszweck entspricht. Wenn wir uns allerdings Londoner Verhältnissen annähern, wo es in einer wohnfeindlichen Innenstadt neben Büros nur noch wenige Wohnungen (Luxus- bzw. Zweitwohnungen) gibt, könnte man nicht mehr von einem schützenswerten Milieu sprechen. Entwicklungen in diese Richtung können wir hoffentlich, u.a. mit Hilfe des Münchener Modells, noch abwenden.

Wenn die Bedingungen für das Vorkaufsrecht vorliegen, kann der Käufer den Vorkauf durch die Stadt noch abwenden,
indem er vertraglich zusichert, keine Maßnahme vorzunehmen, die den Satzungszweck gefährdet (Eigentumswohnungen, unangemessene Baumaßnahmen usw.).

Das GIMA-Projekt hat in München vielen Mietern in bedrohten Mietshäusern ihre Wohnung zu einer bezahlbaren Miete
bewahrt. Milieuschutzsatzungen und kommunales Vorkaufsrechts sind wichtige Instrumente, um Wohnraum vor dem
Schicksal der Verwertung zu retten.
 
Mieter helfen Mietern e.V. http://www.mhm-ffm.de

aus:

DAS MIETERINFO, August 2010 (PDF ca. 600 KB) u.a. mit:
• Die Münchener Umwandlungsbremse
• Absurde Mieterhöhungsbegründungen - GAGFAH-Privatisierung und ihre Folgen
• Frankfurt am Main bricht alle Rekorde - Wohnraumversorgung versagt bei Einwohner- und Arbeitsplatzentwicklung
• Attraktive Lagen der städtischen Wohnungsgesellschaft werden aufpoliert
• Das interessante Urteil