Proteste gegen Querdenker-Aufmärsche in Frankfurt und Wiesbaden

AfD-Parteitag am 28.11. in Kalkar und geplante Querdenker-Großdemo am 12.12. in Frankfurt

14.11.2020 | 12:00 - 17:30 Uhr | Frankfurt (Steinweg/Rathenauplatz, Hauptwache)
Protest gegen Querdenken 69-Veranstaltung "Kein Lockdown für Bembeltown!"

Die Veranstaltung von "Querdenken 69" richtete sich wieder einmal gegen die vermeintlich unzumutbaren Einschränkungen in der Corona-Krise. Die Organisatoren gaben vor, sich für die betroffenen Kneipenbesucher und Gastwirte Frankfurts einsetzen zu wollen. Hierfür hatten sie eine Demonstration (12:00 - 14:30 Uhr) und eine Kundgebung (15:00 - 17:30 Uhr) angemeldet.

Aktive von AgR RheinMain und weiteren Gruppen waren an diesem Samstag ab ca. 9:30 Uhr unterwegs, um in der Nähe des Kundgebungsort die vorbereiteten AgR-Poster "öffentlichkeitswirksam" zu verkleben und den technischen Aufbau der Veranstaltung aufmerksam zu begleiten. Ab 12:00 Uhr bewegte sich ein Teil der Aktiven (ca. 25 Personen) zu den erwarteten neuralgischen Punkten des "Querdenken"-Demonstrationszuges, um dort die Geschehnisse mitzuverfolgen, zu dokumentieren und weiterzureichen. Aber schon zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Start der behördlich stark verkürzten Demonstrationsroute erheblich verzögert, weil immer wieder Teilnehmer*innen keine Masken trugen und die Sicherheitsabstände nicht einhielten. Zudem blockierten Gegendemonstrant*innen aus befreundeten politischen Gruppierungen quasi direkt am Startpunkt (Hauptbahnhof) die geplante Route der "Querdenker". In diesem Zusammenhang ging die Polizei nach Aussagen von Beobachter*innen schnell und unverhältnismäßig (Wasserwerfer) gegen diese Blockade vor. Dennoch steckte der Zug quasi zwei Stunden an dieser Stelle fest und kam kaum voran. Daraus ergab sich logischerweise, dass die blockierten Querdenker (ca. 200 Personen) nur verspätet am Veranstaltungsort in der Innenstadt ankommen konnten.

Gegen 14:00 Uhr war es an der angemeldeten Mahnwache im Steinweg (Ecke Rathenauplatz) relativ ruhig. Die Querdenker ließen klassische Musik über ihre Lautsprecher laufen und streamten den Demoverlauf direkt auf ihre Leinwand. Die Aktiven bauten ihren Infostand auf, legten ihre Materialien aus, verspannten das AgR-Transparent "Verschwörungstheorien gefährden Ihre Gesundheit" und klebten die am Morgen aufgebrachten, aber zwischenzeitlich wieder abgerissenen Poster nach. Es kam zu ersten Wortwechseln, Beschimpfungen und Provokationen durch die Querdenker. Generell war an diesem Tag an dieser Stelle festzustellen, dass die Stimmung recht angespannt, gereizt bis aggressiv war. Als Berufspolitiker*innen waren Ulli Nissen (MdB, SPD), die engagiert mit Passant*innen wie Querdenker*innn diskutierte, und Yurgut Yüksel (MdL, SPD) vor Ort. Des Weiteren waren mehrere Stadtverordnete der Stadt Frankfurt (Martin Kliehm (Die Linke), Jutta Ditfurth und Manfred Zieran (jeweils Ökolink), Annette Ludwig (SPD; Stadtverordneten-Kandidatin)) erschienen. Ein weiterer Aktiver hatte an der zweiten Mahnwache (Nähe Hauptwache) einen Infostand aufgebaut. Sein Gesamteindruck war hingegen, dass die Passanten in der Sache aufgeschlossen und gut informiert waren. Er hatte keine negativen Erfahrungen zu vermelden, führte nach eigener Aussage gar viele ausführliche Gespräche mit interessierten Mitbürger*innen. Auch die Einnahmen (Spenden, Materialien) waren ungewöhnlich hoch an diesem Tag.

Gegen 15:00 Uhr (offizieller Beginn der Kundgebung) standen ca. 400 bis 500 Querdenken-Sympathisanten auf dem Platz – viele ohne Einhaltung des Mindestabstands und ohne Mund-Nasen-Schutz. Der Beginn der Kundgebung verzögerte sich, weil die QD-Demoteilnehmer*innen am Willy-Brandt-Platz blockiert wurden. Gegen 15:30 Uhr startete der Moderator jedoch vor Eintreffen des Demozuges die Veranstaltung, indem er in polemischer Form die Auflagen mitteilte und erklärte. Es folgten erste vermeintlich parodistische Beiträge und Sketche, die mehrmals durch Durchsagen der Polizei mit der Aufforderung, die Auflagen einzuhalten (Abstand halten, Maske tragen, sich auf dem zugeteilten Gelände verteilen), unterbrochen wurden. Gegen 16:15 Uhr trat ein Polizist auf die Bühne, nahm dem Moderatoren das Mikrofon weg, und der Strom wurde abgeschaltet. Zeitgleich teilte der Polizeisprecher mit, dass die Versammlung hiermit beendet wäre und die Teilnehmer*innen den Veranstaltungsort verlassen müssten. Anschließend rückte die Polizei langsam in das Gelände ein und schob das renitente Restpublikum nach hinten in Richtung Ausgang, mit der wiederholten Ansage, dass die Veranstaltung wegen Nichteinhaltung der Auflagen beendet wäre. Alles verlief ohne viel Lautstärke, Widerstand und Aufregung. Letztlich fuhr ein Wasserwerfer auf und begann die letzten Nimmermüden zu bespritzen, die dadurch weitestgehend zerstreut wurden.

Als Fazit ist festzustellen, dass die Polizei gegen die Gegendemonstrant*innen sehr zügig und unverhältnismäßig eingeschritten war. Ihre Maßnahmen gegen die Querdenker waren durchweg als zivil und moderat zu bezeichnen. Dies war wohl auch darauf zurückzuführen, dass nach allgemeiner Wahrnehmung relativ viele gutsituierte, urbane Mittelstandsbürger (Typus: Gutverdiener/Akademiker im mittleren bis höheren Alter) mit Kindern am Kundgebungsort ausgemacht wurden. Letztlich wurde jedoch unsere zentrale Forderung, den Gesundheitsschutz bei diesen Veranstaltungen durchzusetzen, realisiert.

19.11.2020 | 19:00 - 20:15 Uhr | Frankfurt (Paulsplatz)
Corona-Info-Tour von & mit Ballweg und Schiffmann

Der Veranstaltungsort war lange nicht bekannt, da die Details zur Veranstaltung erst am selbigen Tag gerichtlich geklärt und genehmigt wurden. Bei vorherigen Zusammenkünften dieses Formats durften sich die Sympathisanten nur am Rand der Innenstadt treffen. Trotz der späten Klärung kamen ca. 500 sog. Querdenker zum Paulsplatz, um im zugewiesenen Areal auf die Ankunft ihrer Idole zu warten – wie gewohnt häufig ohne ausreichenden Abstand und ohne Maske. Die polizeiliche Präsenz war für die späte Genehmigung dieser kleinen Veranstaltung als üppig zu bezeichnen: 1 Wasserwerfer, mind. 10 Kleinbusse und viele Einsatzkräfte rund um den mit Gittern abgesperrten Paulsplatz. Der Polizeisprecher hat von Anfang an das "Publikum" dazu aufgerufen, die Abstandsregeln einzuhalten und Masken zu tragen. Gelegentlich wurden einzelne Personen angehalten, ihre Atteste vorzuzeigen.

Gegen 19:00 Uhr traf unter lauter Beifallsbekundung der Bus mit den beiden Frontköpfen der bundesweiten Querdenken-Szene ein. Man sollte jedoch eher von "Groupie-Verhalten" sprechen, denn diese Beschreibung entsprach am ehesten der Beobachtung.

Die Gruppe der AgR-Aktiven und Unterstützer*innen war zu diesem Zeitpunkt auf etwa 15 - 20 Personen angewachsen. Als die ersten AgR-Schilder hervorgeholt wurden, wurden die Aktiven von einem Polizisten auf einen für die Gegenproteste reservierten Bereich (Eingang Römerberg) verwiesen. Ein Teil der Aktiven hatte sich bereits abgesetzt und an einer besser beleuchteten Stelle (Paulsplatz/Braubachstr.) Posten bezogen, um dort das AgR-Transparent "Verschwörungstheorien gefährden ihre Gesundheit" aufzuspannen. Die restlichen Aktiven blieben stehen, wurden dann aber an von der Polizei zum Eingang Römerberg eskortiert und dort für ca. 10 Minuten eingekesselt.

Die Querdenker begannen mit ihrer Kundgebung. Aufgrund der Gegebenheiten (Bäume, Distanz, Lautstärke, laufende Motoren) konnte man jedoch den Beiträgen inhaltlich kaum folgen. Das rhetorische Können wurde bei verschiedenen Rundgängen als überschaubar eingestuft. Dennoch bejohlte die Menge einzelne Redebeiträge mit besonders brisanten Aussagen. Generell war die Stimmung nicht so aggressiv und angespannt wie am vorherigen Samstag auf dem Rathenauplatz. Aus nicht nachvollziehbarem Grund fuhr gegen 19:50 Uhr der Wasserwerfer der Polizei vor und stellte sich in Lauerstellung zwischen die kleine AgR-Gruppe und dem Veranstaltungsareal. Gegen 20:15 Uhr wurde die Veranstaltung beendet, als musikalischen Ausklang hatten die Querdenker die deutsche Nationalhymne gewählt. 

Fazit: Die Aktion war als eine Niederlage einzuordnen, denn es waren max. 40 Unterstützer*innen auf AgR-Seite auszumachen, und Ballweg & Co. konnten ungehindert ihr Programm durchziehen. Dennoch war es wichtig, vor Ort präsent zu sein und Widerstandswillen zu demonstrieren. Die wenigen vorbeikommenden Passanten drückten im AgR-Sinne ihre Zustimmung aus.

21.11.2020 | 12 - 16 Uhr | Wiesbaden (Reisinger Anlagen)
Kundgebung von "Querdenken 611" in Wiesbaden

Erneut kamen auch in Wiesbaden ca. 80 Personen von "Querdenken 611" zusammen, um ihre dieses Mal besonders verstiegene Weltsicht öffentlich zu machen. Ca. 60 Polizisten sicherten das Gelände (Reisinger Anlagen) ab, wobei die Örtlichkeit vorteilhafterweise so ausgerichtet war, dass die Redebeiträge kaum Passanten erreichten. Bei dieser Kundgebung sprachen die sog. "Reichsbürger" vom "Königreich Deutschland" und waren beseelt von ihrem Ansinnen, "von Deutschland aus den Frieden in die Welt zu tragen".
Ca. 30 Aktive von AgR RheinMain und Omas gegen Rechts waren auch hier vor Ort und protestierten – vor dem Wiesbadener Hauptbahnhof für Passanten wie Autofahrer gut sichtbar! – gegen diesen Auftritt. Die aufgespannten acht Transparente erzielten ihren gedachten Zweck, denn die Statements wurden wahrgenommen. Gegen 16:00 Uhr beendeten die Querdenker ihre Kundgebung und ließen zum Erstaunen der Anwesenden während der Abbauarbeiten Schafe über den Lautsprecher blöken. Trotz aller politischer Differenz bekundeten die Protestierenden spätestens dann ihre ernste Sorge um den allgemeinen Gesundheitszustand ihrer "Mit(Reichs)bürger*innen" und wünschten ihnen von Herzen gute Besserung.

22.11.2020 | 12 - 13:30 Uhr | Frankfurt (Weseler Werft)
Schweigemarsch von "Querdenken 69" durch Frankfurt

An diesem kalten Novembersonntag hatte die neuste Variante der "Corona-Verschwurbeler" auch in Frankfurt zu einem schweigenden Spaziergang eingeladen. Nach Analyse eines beobachtenden AgR-Aktiven ist der Spaziergang als niederschwelliges Angebot an diejenigen ausgelegt, die sich bislang nicht mit den "Querdenkern" anfreunden wollten.

Nach dem Eintreffen an der Weseler Werft, wo ca. 10 Polizeiwagen die schweigenden Spaziergänger*innen empfingen, wurden die üblichen pandemiespezifischen Auflagen mitgeteilt. Der Streckenverlauf war wie folgt: Weseler Werft - Bubis-Brücke - Schöne Aussicht - Alte Brücke - Sachsenhäuser Ufer - Untermainbrücke - Theater - Weißfrauenstraße - Berliner Straße - Kurt-Schuhmacher-Straße - Schöne Aussicht - Mainufer - Weseler Werft. Anfangs hielten die ca. 250 Teilnehmenden die Auflagen (2m Abstand, Maske tragen) ein; diese Disziplin verflüchtigte sich jedoch zusehends im Verlauf des Spaziergangs. Das an geeigneten Streckenpunkten präsentierte AgR-Transparent "Verschwörungstheorien gefährden Ihre Gesundheit" löste bei einigen Spaziergänger*innen erkennbare Verärgerung aus. Gegen 13:20 Uhr endete der Schweigemarsch wieder an der Weseler Werft.

Es ist anzunehmen, dass sich diese Spaziergänge wiederholen werden. Aber immerhin ist jetzt der Streckenverlauf bekannt, sodass man an strategisch interessanten Streckenpunkten entsprechende Maßnahmen ergreifen kann.

28.11.2020 | AfD-Bundesparteitag | Kalkar
Aktionen gegen den AfD-Bundesparteitag in Lockdown-Zeiten

Trotz weiter steigender Infektionszahlen darf die AfD am 28./29.11. ihren Bundesparteitag in Kalkar (NRW) – nach Genehmigung durch die zuständigen lokalen Behörden – als Präsenzveranstaltung durchführen. Wir von Aufstehen gegen Rassismus (AgR) werden auch dieses Jahr gegen diesen Parteitag protestieren. Denn wir wollen nicht unwidersprochen lassen, dass sich die Partei einmal mehr als politische Speerspitze einer neuen rechten Straßenbewegung von enthemmten Corona-Wutbürgern und hassgetriebenen Demokratiezersetzern inszeniert. Umso mehr gilt dies nach den jüngsten Ereignissen in Berlin, Leipzig, Frankfurt und anderen Städten.

Wir fordern

die Untersagung des Bundesparteitags der AfD wegen zu erwartender Infektionsgefährdung bzw. den Abbruch bei Nichteinhaltung der Auflagen!

Wir wollen mit Anstand, Abstand und Maske demonstrieren und distanzieren uns von jeglicher Form von Rassismus, Gewalt und Hass. Denn: Unsere Alternative heißt Solidarität!

Weitere Infos zum Ablauf der Proteste in Kalkar, dem Hygienekonzept, Mobilisierungsmaterial etc. gibt es hier: https://www.aufstehen-gegen-rassismus.de/aktuelles/gegen-afd-bundesparteitag/

Ein Hinweis für alle, die coronabedingt nicht in Kalkar an den Protesten teilnehmen werden: Unterstützt die Proteste gegen den AfD-Bundesparteitag z.B. via Social Media (individuell oder als lokale Gruppe, Partei- oder Gewerkschaftsgliederung). Macht Fotos von euch und eurer Soliaktion und ladet sie auf euren Social Media-Accounts hoch mit #KLK2811 #Hinterland #Kernschmelze.

12.12.2020 | Querdenken-Großdemo | Frankfurt
Protestaktionen: Querdenken-Großdemo in Frankfurt

Seit der Ankündigung von Querdenken, am 12. Dezember in Frankfurt eine Großdemo durchzuführen, herrscht im Hintergrund große, kreative Betriebsamkeit. Die linke Szene in Frankfurt/RheinMain vernetzt sich großflächig, die ersten Koordinierungstreffen laufen. Das weltoffene, multikulturelle und liberale Frankfurt wird diesen Superspreadern von jedweden Halbgarheiten, die so gerne mit enthemmten Hassbürgern und demokratiefeindlichen Zersetzern koopieren, einen Willkommensgruß der besonderen Art präsentieren.

Wir von Aufstehen gegen Rassismus RheinMain sind wie immer engagiert beteiligt und geben unser Bestes, um die Stadtgesellschaft auf allen Ebenen positiv einzubinden. Wir freuen uns über alle, die Zeit finden, diese Vertreter*innen des Ver-Querdenkertums gebührend in Empfang zu nehmen. Denn eines ist klar: Wir werden lautstark und entschlossen gegen ihre Verschwörungserzählungen protestieren - und zwar wie immer im selbst- wie fremdschützenden AHA-Modus und gemäß unserem Motto: Unsere Alternative heißt Solidarität!

Aufstehen gegen Rassismus RheinMain, Newsletter, KW 47/2020