Richtigstellungen zu Falschinformationen in dem Artikel „Persilscheinlogik“ von B. Ortmeyer

An die Redaktion von „Frankfurter-info“: Wir sehen uns als geschäftsführender Vorstand des „Studienkreises Deutscher Widerstand 1933-1945 e.V.“ gezwungen, zu dem von Benjamin Ortmeyer von euch am 4. März 2024 online gestellten Text, einige Richtigstellungen zu veröffentlichen.

Wir tun das sehr ungern, weil die aggressiven, beleidigenden und abwertenden Formulierungen, mit denen sich der Autor über uns äußert, eine sachliche Auseinandersetzung unmöglich machen. Da das Schreiben von Ortmeyer nun in der Öffentlichkeit ist, stellen wir einige Falschinformationen richtig:

  • Das auf Frankfurt.info veröffentlichte Schreiben ist nicht die Antwort des Vorstandes auf den Antrag, den B. Ortmeyer an die Mitgliederversammlung des Studienkreises gestellt hat.
  • Unsere Stellungnahme reagiert auf die wissenschaftlichen Fehler, die Ortmeyer in seiner Broschüre zu unserer Ausstellung „Handlungsspielräume – Frankfurter Polizeibeamte im Nationalsozialismus“ unterlaufen sind. Der Vorstand hat dieses Papier nicht veröffentlicht, sondern als Grundlage für die Behandlung des Themas auf der Mitgliederversammlung an seine Mitglieder verschickt.
  • Die Ausführungen von B. Ortmeyer sind ganz offensichtlich nicht auf dem Stand der Forschung oder der seit vielen Jahren bekannten Debatten über den Rettungswiderstand und den Leuschnerkreis. Ebenso ist eine Selbstverständlichkeit in der Forschung zu nationalsozialistischen Tätern, Mitläufern und „Zuschauern“, auf Ambivalenzen und Grauzonen abzuheben, auch in der Praxis der historisch-politische Bildung. Wir wollten aber B. Ortmeyer keinesfalls bloßstellen und hätten daher dieses Papier nicht öffentlich gemacht. Da er das nun durch seine Veröffentlichung erzwingt, stellen wir unsere Argumente und Richtigstellungen zu B. Ortmeyers Ausführungen zur Verfügung.
  • Die aggressiven, abwertenden und verletzenden Anmerkungen von B. Ortmeyer zur Tagesordnung der Mitgliederversammlung sind in der Sache falsch. Die Versammlung war mit genügend Zeit für Fragen und Diskussionen geplant. Sie ist am vergangenen Samstag, den 9. März 2024 mit der nötigen sachlichen Ruhe und Sorgfalt verlaufen. Zu unserem Bedauern ist B. Ortmeyer, anders als von ihm angekündigt, nicht zur Mitgliederversammlung erschienen.
  • Der Vorstand des Studienkreises hat bereits vor der Mitgliederversammlung angekündigt eine Veranstaltung durchzuführen, in der die Ausstellung nochmals gemeinsam gesichtet, und bestehende Kritik beraten werden soll. Auf der Grundlage der dortigen Diskussion und des Votums der anwesenden Diskutant:innen wird es eine Beschlussvorlage für die nächste Mitgliederversammlung geben. So soll ein in der Mitgliedschaft sachlich erarbeiteter Beschluss zur Ausstellung „Handlungsspielräume“ gefasst werden. Es wird also kein, wie von Ortmeyer unterstellt, undemokratisches Verfahren in dieser Sache durchgeführt.
  • Die im Text von Ortmeyer genannte Summe von mehreren Hunderttausend Euro ist an keiner Stelle im Haushalt des Studienkreises zu finden. Die Weichenstellung, das Projekt durchzuführen, ist vom damaligen Vorstand des Studienkreises, lange vor dem Konflikt um dieses Ausstellungsprojekt, vorgenommen worden.
  • Der von B. Ortmeyer gestellte Antrag wurde auf der Mitgliederversammlung mit großer Mehrheit abgelehnt. Die drei geschäftsführenden Vorstandsmitglieder wurden, ebenso wie die vier Beisitzerinnen, jeweils ohne Gegenstimmen im Amt bestätigt oder neu gewählt.

Der Geschäftsführende Vorstand des Studienkreises Deutscher Widerstand 1933-1945 (Werner Hartl, Gottfried Kößler, Horst Schmitthenner)

11.3.2024

Dokumentation
Als Information zu dem Text von B. Ortmeyer „Persilscheinlogik“ dokumentieren wir hier das Schreiben des Vorstandes des Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945 e.V., auf das er sich bezieht. Das Schreiben wurde an die Mitglieder des Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945 e.V. mit der Einladung zur Mitgliederversammlung am 9. März 2024 verschickt.

Liebe Mitglieder,

zu der Ausstellung „Handlungsspielräume – Frankfurter Polizeibeamte im Nationalsozialismus“ wurde Kritik geäußert. Uns haben dazu einige Fragen erreicht, die wir gerne beantworten und über diesen Weg unseren Mitgliedern zur Verfügung stellen.

Hier unsere von den Kurator:innen dokumentierten Fragen und deren Beantwortung:

Ein Kritikpunkt lautet, die Ausstellung nenne außer der Tochter von Gotthold Fengler, keine validen Quellen für Kriminalobersekretär Gotthold Fenglers Wirken im Leuschnerkreis und seine Hilfe für Verfolgte.

Gibt es tatsächlich nur eigene Aussagen beziehungsweise Aussagen der Tochter? Hat sich Kriminaldirektor Christian Fries bezüglich des Rettungsversuchs von Prof. Herxheimer und Hausdame dazu geäußert? Gibt es zu diesem Fall noch weitere Quellen, also unabhängig von Christian Fries?

Folgende Primär- und Sekundärquellen haben wir für das Wirken von Gotthold Fengler herangezogen (Auswahl):

  • Ludger Fittkau und Marie-Christine Werner, Die Konspirateure: Der zivile Widerstand hinter dem 20. Juli 1944, Darmstadt 2019, u.a. S. 56-61 [dort fälschlicherweise als „Gottholf“ Fengler aufgeführt]:

„Der Gestapo-Mann Fengler und Christian Fries, der Kopf der Frankfurter Widerstandsgruppe in der Polizei, die überregional bestens vernetzt war, arbeiteten eng zusammen. ‚Wir gehörten dem sogenannten Leuschnerkreis an. Ein gewisser Kettel, Führer der SPD und Gewerkschaftsfunktionär, der unter dem Namen Camphausen auftrat, leitete die ganze Sache sozusagen. Wir waren alle ausgerichtet und hatten unsere Weisungen für den 20. Juli 1944, wenn die Sache geglückt wäre‘, schreibt Fries später“. (S. 59)

  • Petra Bonavita, Nie aufgeflogen: Widerstand in der NS-Zeit im Polizeipräsidium Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 2023:

Das komplette genannte Werk von Petra Bonivita handelt von Fries und Fengler. Sie hat persönliche Interviews mit der Tochter von Fengler geführt. U.a. heißt es:

„Weigel schilderte 1946 den Einstieg in den Fluchtplan: Fengler sollte Herxheimer und Rosenthal zum Schein verhaften und im Kraftwagen abführen. ‚Der Transport wäre durch den Gestapo-Dienstausweis gedeckt gewesen.‘ Anschließend Fahrt zur Schweizer Grenze, wo auf der anderen Seite Professor Blum den ehemaligen Kollegen empfangen würde.“ (S. 37)

  • Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 527 Nr. 968 [Personalakte Fengler beim Landespersonalamt]:

Schreiben des Betriebsrates Portune vom 13. Dezember 1948, in dem er Fries zitiert und Fenglers Zusammenarbeit mit ihm herausstellt.

Schreiben Christian Fries, 14. August 1958, in dem er über Fengler schreibt:

„F. hat der Widerstandsgruppe insofern wertvolle Dienste erwiesen, als er u.a. uns die geplanten Judenverschickungen rechtzeitig meldete, dass wir einen Teil der Gefährdeten warnen konnten. Gut im Gedächtnis ist mir noch der Fall von Prof. Herxheimer und seiner Hausdame Frau Rosenthal, für die F. damals sogar die gefälschten Pässe besorgte. Ich kann also mit aller Bestimmtheit erklären, dass F. – obwohl er bei der Gestapo tätig war – mit der Widerstandgruppe zusammengearbeitet hat“

  • Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, Sig. S2 Nr. 3506 [Sammlung Christian Fries]:

Rechtfertigungsschrift Christian Fries, 12. Januar 1947:

„Besonders herausstellen möchte ich jedoch folgenden Vorfall: Im Frühjahr 1942 lernte ich den allseits hochverehrten Geheimrat Prof. Dr. Karl Herxheimer, wohnhaft gewesen, Frankfurt/Main, Friedrichstrasse, kennen. Er wurde mir seinerzeit von Herrn Gustav Weigel, wohnhaft Frankfurt/Main, Textorstrasse 17, auf der Oberschweinstiege vorgestellt. Weigel, von dem ich wusste, dass er verschiedene jüdische Personen laufend mit Lebensmittel [sic!] versorgte, war auch jahrelang der Betreuer des Geheimrats Herxheimer. Verabredungsgemäss traf ich dann noch 3 oder 4 mal an der gleichen Stelle und in der Gesellschaft des Herrn Weigel mit Herxheimer zusammen.Damals war beabsichtigt, Geheimrat Herxheimer und seine Hausdame, Frau Rosenthal, nach der Schweiz zu verbringen. Die Vorbereitungen, an denen neben Weigel der Stapobeamte Gottlieb [sic!] Fengler und Prof. Blum beteiligt waren, sind seinerzeit beinahe abgeschlossen gewesen. Ich selbst entnahm und vernichtete damals die in der Fahndungskartei der Kriminalpolizei von der Gestapo eingelegt gewesenen Steckkarten (Pass-sperre für Juden) von Geheimrat Herxheimer und Frau Rosenthal. Gefälschte Pässe waren angefertigt. Prof. Blum befand sich bereits in der Schweiz und sollte Herxheimer mit einem Auto an der Grenze abholen, wohin er von dem Stapobeamten Fengler gebracht werden sollte. Leider scheiterte der Plan sozusagen in letzter Minute durch eine Unschicklichkeit der Frau Rosenthal.

Zeuge: Gustav Weigel, wohnhaft Frankfurt/M., Textorstrasse 17; Frau Erhardt, Tochter des Prof. Blum, wohnhaft Frankfurt/M., Arndtstrasse 51; Gottlieb [sic!] Fengler, ehemaliger Stapobeamter, z.Zt. in einem mit nicht bekannten Lager.“

Vermutlich sind weitere Quellen sind bei den Unterlagen zu Weigel usw. zu finden, weitere Angaben ebenso bei Petra Bonavitas Veröffentlichung.

Zu Christian Fries wird behauptet, dass in der Ausstellung nur eine Quelle für Widerstand, nämlich die Behauptung von Christian Fries selbst genannt wird.

Folgende Primär- und Sekundärquellen haben wir für das Wirken von Christian Fries recherchiert und herangezogen (Auswahl). Daraus ergibt sich, dass einige weitere Quellen, unter anderem von der Person Jakob Steffan (unzweifelhafter Teil des Leuschner-Netzwerkes) eine Widerstandstätigkeit von Christian Fries bezeugen:

  • Emil Henk, Die Tragödie des 20. Juli 1944, Heidelberg 1946. [Henk war Mitglied im Kreisauer Kreis und stand dem Leuschner-Netzwerk nahe. Wurde während der NS-Zeit zu 20 Monaten Haft verurteilt]:

„Schwamb setzte zum Leiter der nordhessischen Illegalität den heutigen Bezirkssekretär der Frankfurter Gewerkschaften, Richter, ein. Für den Bereich Frankfurt-Heidelberg wurde Steffan bestimmt. Steffan war 8 Jahre im KZ als früherer SPD-Abgeordneter und ging nach seiner Entlassung sofort in die Illegalität – allerdings durch Mißhandlungen fast erblindet. Steffan übergab in den wichtigsten Großstädten die Leitung erfahrenen Politikern. In Frankfurt lag sie in den Händen von Kriminalrat Fries, der sich seinen Stab von Mitarbeitern schuf. Der greise Noske gehörte dazu.“ (S. 49)

  • Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, Sig. S2 Nr. 3506 [Sammlung Christian Fries]:

Rechtfertigungsschrift Christian Fries, 12. Januar 1947. Darin schreibt er u.a.:

„Im Jahr 1943 erhielt ich von Steffan, der engster Mitarbeiter des ermordeten Leuschner war, den Auftrag, in Frankfurt/M. eine antifaschistische Organisation zu schaffen, die bei einem bestimmten Ereignis in Aktion treten sollte. Ich bemühte mich, Personen zu gewinnen, die mir als verbissene Nazigegner bereits bekannt waren bzw. bekannt wurden. […] Meine engsten Mitarbeiter wurden der Kriminalsekretär Hans Gorius […] und der jetzige Polizei-Oberinspektor Georg Kaufmann […].“

  • National Archives and Record Administration, Fries, Christian - XE003387:

Schreiben von Gustav Kettel, 8. April 1946:

„Der Kriminalrat Christian Fries, früherer Leiter der Frankfurter Kriminalpolizei, wurde im August 1945 durch CIC verhaftet und nach dem Lager Ludwigsburg verbracht […] Seit 1944 arbeitete ich politisch illegal für die ‚UNION deutscher sozialistischer Organisationen in Groß-Britanien‘ zum Sturz des Nazi-Regimes, nachdem die von mir in den früheren Jahren gegründeten antifaschistischen Organisationen in das Kartell der ‚UNION‘ durch den während des Krieges von England nach Deutschland kommmenden OSS-Mann Jakob Kappius aufgenommen worden waren. Die ‚UNION deutscher sozialistischer Organisationen in Groß-Britanien‘ arbeitete mit verschiedenen OSS-Leuten als Mitgliedern für den britischen Secret Service […] In der Bearbeitung des Bezirkes Frankfurt/Main gelang es mir, im Jahr 1943/44 durch Verbindungsleute politische Verbindungen in das Frankfurter Polizei-Präsidium hinein aufzunehmen. Durch diese Verbindungsleute wurde mir unter anderem der damalige Kriminal-Inspektor Fries als politisch zuverlässig avisiert. Ich besuchte im Jahr 1944 Herrn Fries und stellte mich ihm zunächst unter dem falschen Namen ‚Campenhausen‘ vor. Bei dem Austausch der politischen Ansichten stellte ich dann zu meiner Überraschung fest, daß Herr Fries bereits einer Widerstandsgruppe angehörte und zwar war er Mitglied der Gruppe des Dr. Hans Hayn, eines Arztes in Neu-Isenburg. Da Herr Fries meiner politischen Auffassung der Lager vorbehaltlos zustimmte und da er sich andererseits als Mitglied einer Widerstandsgruppe legitimieren könnte, war seine politische Zuverlässigkeit für mich erwiesen […] Herr Fries besass also das volle Vertrauen der Gruppe Dr. Hayn, die sich dem Kartell der ‚UNION‘ vorbehaltlos anschloss. Für die Gruppe Dr. Hayn andererseits war Herr Fries deswegen als politisch zuverlässig legitimiert, weil er seit Jahren an politischen Besprechungen im Hotel Zimmermann, Frankfurt/Main, Kronprinzenstrasse, teilnahm. An diesen politischen Besprechungen war u.a. ständiger Teilnehmer neben Fries der jetzige Regierungspräsident von Mainz, Jakob Stephan, ein enger Mitarbeiter des wegen seiner Beteiligung am Staatsstreich vom 20. Juli 1944 von den Nazi-Henkern ermordeten früheren hessischen Minister Leuschner […]“

  • Werner/Fittkau 2019, u.a. S. 56-61: siehe Ausführungen zu Gotthold Fengler
  • Bonavita 2023, Nie aufgeflogen: siehe Ausführungen zur Gotthold Fengler

Zudem wird ausgeführt, dass Christian Fries mit Sicherheit „Nazi-Täter“ war und die ganze Ausstellung damit disqualifiziert sei. Im Zusammenhang mit dem Bild von Abwehrchef Canaris werde hier ein völlig falscher Eindruck erweckt.

Insgesamt sind wir uns im Klaren, dass die meisten Personen im Sample keine weiße Weste haben. Viele haben sich am System beteiligt, sie haben Verbrechen begangen, Personen verfolgt und/oder ermordet. Das trifft sicherlich ganz besonders auf Ernst Schmidt zu. Dies wird auch an dem Zitat auf der entsprechenden Seite deutlich, in dem „seine“ GFP-Gruppe als besonders grausam beschrieben wird. Darüber hinaus ist es wenig sinnvoll, die „guten“ gegen die „schlechten“ Taten aufzuwiegen. Das Foto von Canaris wiederum befindet sich an dieser Stelle, da er als Leiter des militärischen Nachrichtendienstes auch Leiter der GFP war. Bei Führungen durch die Ausstellung weisen wir deutlich darauf hin, dass es sich um einen erwiesenen Nazi-Verbrecher handelt.

Herr Ortmeyer berichtet in seinen Ausführungen mehrfach von wirren Aussagen von Erna Rub nach dem Krieg, was genau meint er damit? Ist damit die Glaubwürdigkeit von Rub insgesamt gefährdet?

Ortmeyer bezieht sich u.a. auf einen Zeitungsartikel aus der Nachkriegszeit. Ob diese Auffassung von Erna Rub mit seiner Wahrnehmung übereinstimmt, können wir schwer sagen, da wir bezweifeln, dass er einen Blick in die Quellen geworfen hat.

Erna Rub erweckt den Eindruck einer sehr extrovertierten Frau. Sie wird als sehr kokett und kosmopolitisch beschrieben, was nicht in das damalige Frauenbild passte. An einer Stelle wird vermutet, dass sie ein Verhältnis mit Lengeling gehabt haben könnte. Auch dieses Verhalten wurde sicherlich als unangemessen wahrgenommen. Dies mögen Gründe sein, weshalb der entsprechende Journalist ein derartiges Bild von Rub zeichnete.

Wir sehen ihre Glaubwürdigkeit dadurch nicht geschmälert. Dennoch müssen ihre Aussagen genauso wie alle anderen stets geprüft und hinterfragt werden. Kritisch sind hier unserer Auffassung nach vor allem die Ausführungen zur finanziellen und materiellen Bereicherung Lengelings.

Neben Polizeimeister Christian Vulteés Zugehörigkeit zur Wachmannschaft in Lodz schreibt Herr Ortmeyer von einer „dünnen Quellenlage“, scheinbar in Bezug auf die Unterstützung der Rettung von Cavit Vitaman. Trifft das zu oder was könnte Ortmeyer damit meinen? Wer hat den Einsatz von Vulteé für Fitaman beglaubigt?

Was Ortmeyer mit seinen Ausführungen meint, ist an manchen Stellen tatsächlich nicht klar und auch für uns schwer nachvollziehbar. Dennoch ist die Quellenlage zu Vulteé dünn. Es gibt die Aussage von Cavit Fitamans Frau sowie die Bestätigung von Christian von Vulteé:

  • Studienkreis Deutscher Widerstand, EA 183 [Entschädigungsakte Fitaman]

Schreiben Anni Fitaman [Ehefrau von Cavit Fitaman, geborene Heindl] 15.1.1959, in dem sie schreibt:

„Mein Mann wurde offenbar aufgrund von Denunziation mehrfach zur Gestapo gerufen und über sein Zusammenleben mit mir ausgefragt und zugleich verwarnt. Nach seinen Darstellungen wurden weitere Folgen dieser qualvollen Verhöre, wie Haft, K.Z. etc. nur durch den Umstand verhütet, dass er türkischer Staatsangehöriger war. Die Gefahr des Zusammenlebens wurde für uns beide immer grösser. So musste er mehrfach verwarnt, etwa im September 1935 ganz plötzlich ausziehen, weil wir durch einen Polizeibeamten über eine geplante Aktion informiert wurden. Als Beweise verweise ich auf die eidesstattliche Versicherung des Polizeimeister Christian von Vulteé vom 30.4.1958.“

  • Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 518 Nr. 75411/2 [Entschädigungsakte Cavit Fitaman]

Erklärung von Christian von Vultée zum Sachverhalt, 30. April 1958:

„Hierdurch erkläre ich, dass ich im Jahre 1935 Frl. Anni Heindl, wohnhaft hier, Linneestr. 10, bei einem Besuch, aus freundschaftlichen Motiven, gesagt habe, daß Herr Cavid Fitamann, mit dem sie verlobt war und den sie nach den damaligen Gesetzen nicht heiraten konnte, unbedingt aus ihrer Wohnung ausziehen müßte. Ich habe ihr ferner noch mitgeteilt, dass ein Zusammenleben- und wohnen mit gefahr [sic!] verbunden sei. Herr Fitamann ist auch daraufhin ausgezogen.“