Ungebrochen solidarisch

Gemeinsame Erklärung gegen Medienhetze und Öffentlichkeitsfahndung! Solidarität mit den untergetauchten Antifaschist:innen – für einen ungebrochen aktiven Antifaschismus!

Ende September veröffentlichten die Onlineportale der öffentlich-rechtlichen Sender NDR und WDR einen Beitrag zur „steigenden Zahl untergetauchter Linksextremisten“. Was als Sachinformation gekennzeichnet war, entpuppte sich beim Lesen sehr schnell als ausführlicher Hetzartikel gegen Antifaschist:innen, denen vorgeworfen wird, in Thüringen und Sachsen, sowie in Budapest organisiert und militant gegen Nazis vorgegangen zu sein. Der initiale Artikel wurde schnell von weiteren Medien, wie etwa der Tagesschau, aufgegriffen. Unisono wurde dabei notwendige antifaschistische Praxis gegen militante Nazinetzwerke in die Nähe von Terrorismus gerückt und so delegitimiert und kriminalisiert. Völlig falsch ist dabei auch die aus der Luft gegriffene Gleichsetzung von antifaschistischen Gruppen und militanten Aktionszirkeln.

Der Artikel erschien augenscheinlich nicht anlasslos, sondern war der Auftakt zu einer neuen und aufeinander abgestimmten Kampagne gegen die antifaschistische Bewegung. Am Montag nach der NDR/WDR-Steilvorlage legten die Sicherheitsbehörden, konkret die Bundesanwaltschaft und das LKA Sachsen, mit einer umfassenden, bundesweiten Öffentlichkeitsfahndung nach: In vielen Innenstädten, an Straßenbahnhaltestellen und Bahnhöfen erschienen großflächige Anzeigen auf Infoscreens, die das Gesicht eines der untergetauchten Antifaschisten zeigen sollen. Mitsamt einer ausgerufenen Belohnung von 10.000 Euro. Die mediale Hetzjagd wurde so durch die öffentliche ergänzt.

Eine Öffentlichkeitsfahndung gegen aktive Antifaschist:innen in diesem Umfang stellt – einmal mehr – eine neue Qualität im Vorgehen gegen Nazigegner:innen dar, wird sie doch sonst im öffentlichen Raum i.d.R. bei Kapitalverbrechen wie Mord oder im Zuge von Terrorismus genutzt. Dieser Schritt der Behörden kommt aber nicht unerwartet, sondern reiht sich ein in die massiven Versuche, gerade in Ostdeutschland, antifaschistische Politik zu kriminalisieren.

Die Behörden wenden hier eine alt(-bewährte) Taktik an: Durch die Stigmatisierung einzelner, in diesem Fall eines Genossen und seiner Aktivität gegen Nazis zum „Staatsfeind Nummer 1“, soll die Bewegung gespalten werden. Eine Bewegung, deren Stärke ihre Vielfältigkeit und Solidarität ist und die sich nicht in „gute, weil harmlose“ Antifaschist:innen und vermeintliche „kriminelle Schlägertruppen“ aufteilen lässt.

Die Öffentlichkeitsfahndung ist also ein Angriff auf die antifaschistische Bewegung als Ganzes und ihr sollte – unabhängig von der Bewertung der Aktionsform der untergetauchten Aktivist:innen – deswegen auch gemeinsam entgegengetreten werden.

Denn die Art und Weise, wie nun Jagd auf den Genossen gemacht wird, soll gleich mehreres bezwecken: Zum einen wird versucht den Untergetauchten jegliche Handlungs- und Bewegungsspielräume zu nehmen, zum anderen sollen solidarischen Unterstützer:innen abgeschreckt werden und natürlich hat die „Terror-Fahndung“ zum Ziel, Menschen vom konsequenten und notwendigen Vorgehen gegen bewaffnete Nazis abzuhalten. Damit stärken die Behörden letztlich die sich ohnehin im Aufwind befindlichen rechten und faschistischen Kräfte, gerade in Thüringen, Sachsen oder Ungarn.

Der Staat und seine Institutionen zeigen hier also einmal mehr, dass sie alles andere als eine neutrale Instanz sind. Seit 1990 haben Nazis über 200 Menschen in der Bundesrepublik ermordet, mit dem NSU existierte über Jahre eine von staatlichen Stellen z. T. gedeckte bewaffnete Gruppe im Untergrund und gegen knapp 600 Rechte gibt es einen offenen Haftbefehl. Öffentlichkeitsfahndung oder in anderer Form entschiedenes Vorgehen in diesem Zusammenhang: Fehlanzeige.

Es ist nur folgerichtig, wenn in Anbetracht dieser konkreten Gefahr antifaschistischer Selbstschutz von unten organisiert und militante Nazinetzwerke zurückgedrängt werden. Umso früher, desto besser – bevor und nicht nachdem wieder Unterkünfte brennen und Menschen ermordet werden.

In diesem Sinne: Hut ab vor Antifaschist:innen, die Nazis dort etwas entgegensetzen, wo sie sich ansonsten frei entfalten können. Ob in Eisenach, wo die Nazis regelmäßig Kampfsport trainieren und Anschläge auf Linke und Migrant:innen planen, in Sachsen, wo sie regierungskritische Bewegungen mit Massencharakter anführen, oder in Budapest, wo ganz andere Verhältnisse herrschen, Faschist:innen vom Staat hofiert werden und zu hunderten an offen NS-verherrlichenden Events teilnehmen können. Und zu guter Letzt Polizei und Justiz mit aller Härte gegen die verbliebenen Antifaschist:innen vorgehen.

Wir müssen dieser neuen medialen Hetze und dem immensen Druck der Behörden auf Einzelne gemeinsam entgegentreten. Tun wir das nicht, tragen wir am Ende zur Schwächung der antifaschistischen Bewegung bei. Und das wäre in der aktuellen Situation fatal. Auch wenn wir uns im konkreten Handeln nicht immer einig sind, so sind doch Vielschichtigkeit, die unterschiedlichen Aktionsformen und die uneingeschränkte Solidarität untereinander seit jeher eine Stärke der antifaschistischen Bewegung. In Anbetracht der aktuellen Rechtsentwicklung ist all das mehr denn je gefragt.

Solidarität mit den Verurteilten im Antifa-Ost-Komplex und den Inhaftierten in Budapest!

Solidarität mit den Untergetauchten und jetzt von der Öffentlichkeitsfahndung Betroffenen!

Lasst uns das Netz der Solidarität weiter knüpfen!

Deshalb: Setzt sichtbare Zeichen der Solidarität mit den betroffenen Antifaschist:innen. Unterstützt diese Solidaritätserklärung, verschafft den Betroffenen politische Rückendeckung, sammelt Geld für Prozesskosten und Co. Setzen wir der Öffentlichkeitsfahndung gemeinsam etwas entgehen.

10. Oktober 2023

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