Zeitenwende á la CDU/CSU? – Nein, danke!

Aus Anlass des Internationalen Frauentags am 8. März 2024 bekräftigt Doña Carmen e.V., Verein für die sozialen und politischen Rechte von Prostituierten, die Forderung nach rechtlicher Gleichbehandlung von Prostitution mit anderen Berufen.

Sexarbeiter*innen brauchen keine Zwangsbeglückung mit dem ‚Nordischen Modell' der Freier-Kriminalisierung. Denn ihr vordringlichstes Problem ist die vom Staat ausgehende strukturelle Gewalt gegenüber dem Prostitutionsgewerbe.

Daher fordert Doña Carmen e.V.:

Abschaffung des diskriminierenden strafrechtlichen Sonderschutzes für Prostitution!

► Weg mit dem Prostituiertenschutzgesetz: Zwangsregistrierung, Zwangsberatungen, Zwang zur Beantragung und zum Mitführen eines Hurenpass und Kondomzwang – all das muss weg!

► Gewerberechtliche Regelungen für Prostitution auf der Basis der Gleichbehandlung mit anderen Berufen!

Sonderstrafrecht: Mit gegenwärtig sieben von insgesamt 320 Strafrechts-Paragrafen sollen Prostituierte nach offizieller Lesart angeblich „geschützt" werden. Doch ein prostitutionsspezifisches Sonderstrafrecht besteht in Deutschland bereits seit rund 170 Jahren. Und Schutz in der Sexarbeit war nie das vorrangige Anliegen der strafrechtlichen Regulierung von Prostitution. Mit dem Prostitutions-Strafrecht wird nicht nur erzwungenes, sondern auch einvernehmlich-freiwilliges Handeln kriminalisiert. Die Rede von „Schutz" wird als Alibi missbraucht und zum Zwecke der Rechtlosstellung von Sexarbeit instrumentalisiert.

Prostituiertenschutzgesetz: Das zeigt insbesondere das 2017 in Kraft getretene Prostituiertenschutzgesetz mit aller Deutlichkeit. Die darin verankerten Regelungen zur Zwangsregistrierung und Zwangsberatung von Sexarbeiter*innen, der gesetzlich verankerte Zwang zur Beantragung und zum Mitführen eines Hurenpass sowie der Kondomzwang schützen niemanden, sind aber bestens geeignet, die davon betroffenen Menschen zu demütigen, zu diskriminieren und sie als „nicht normal" zu stigmatisieren.

Schäbiges Spiel mit ‚Nordischem Modell': Wie dieses schäbige Spiel funktioniert, demonstrierte erst kürzlich die CSU-Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär, als sie in einer Debatte des Deutschen Bundestags die aktuelle Forderung der CDU/CSU nach Einführung des ‚Nordischen Modells' der Freierbestrafung begründete.

Dabei befasste sich Frau Bär zum gefühlt tausendsten Mal mit der von niemandem vertretenen Behauptung, Prostitution sei „eine Arbeit wie jede andere", um sich über Sexarbeit lustig zu machen:

„Oder – noch schöner –: Prostitution, eine Arbeit wie jede andere. – Auf welcher Arbeit haben Sie beispielsweise überall einen Notfallknopf, damit Sie, wenn Sie kurz davor sind, umgebracht zu werden, noch schnell die Security rufen können? Wo gibt es das denn?
(zitiert nach: Deutscher Bundestag, 20. Wahlperiode, 155. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. Februar 2024, S. 19899, https://dserver.bundestag.de/btp/20/20155.pdf)

Frau Bär, deren Partei, die CSU, mit der Zustimmung zum Prostituiertenschutzgesetz genau diesen Notfallknopf 2016 für alle Prostitutionsstätten zur Pflicht gemacht hat, instrumentalisiert diesen Sachverhalt nun auf gewohnt zynische Weise, um Sexarbeit in der Prostitution die gesellschaftliche Akzeptanz abzusprechen.

Als Ahnungslose muss sie freilich nicht wissen, dass in Taxis ein Alarm vom Fahrersitz aus ausgelöst werden kann, dass immer mehr Schulen und Behörden Notruf- und Gefahren- Reaktionssysteme installieren und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung schon vor acht Jahren „Notrufmöglichkeiten für allein arbeitende Personen" empfahl.

Doch den etablierten politischen Parteien geht es um Stimmungsmache gegenüber Prostitution. Eine Legalisierung von Prostitution jenseits diskriminierender Vorgaben im Straf-, Ordnungs- und Polizeirecht scheint sie gänzlich zu überfordern.

Stattdessen pflegen sie weiterhin die sich zunehmend in Luft auflösende Legende von einer ‚prostitutionsspezifischen Kriminalität'. Dabei lassen sie unerwähnt, dass die registrierte Kriminalität im Prostitutionsgewerbe seit einem Vierteljahrhundert um mehr als 80 % zurückgegangen ist. Sie übergehen mit Schweigen, dass sich im Schnitt nur noch 16 % der verbliebenen Fälle von „Rotlicht"-Kriminalität vor Gericht bestätigen lassen. Und sie umgehen die Erwähnung der Tatsache, dass die Zahl der dem „Rotlicht" zuzuordnenden verurteilten Personen mittlerweile bei gerade einmal 70 bis 90 Personen pro Jahr liegt.

Anstatt sich für die Abschaffung des aus der Zeit gefallenen prostitutionsspezifischen Strafrechts ins Zeug zu legen und sich für eine diskriminierungsfreie, auf Gleichbehandlung beruhende Legalisierung von Prostitution einzusetzen, fallen die etablierten politischen Parteien den Frauen in der Prostitution in den Rücken.

Das aber schadet allen Frauen. Denn wenngleich die Kriminalisierung der Prostitution in erster Linie Sexarbeiter*innen trifft, so richtet sich diese Politik im Kern doch gegen alle Frauen in unserer Gesellschaft. Die Ausgrenzung von Prostitution erinnert sie auf subtile Weise daran, dass die Sexualität und Gebärfähigkeit von Frauen keine reine Privatangelegenheit ist, sondern gesellschaftlicher Kontrolle unterliegt. Es handelt sich um eine auf die Einhaltung von Monogamie zielende Politik der Konditionierung von Frauen der Mehrheitsgesellschaft.

Die Einschüchterung von Frauen, die Einschränkung ihres sexuellen Selbstbestimmungsrechts – das ist der eigentliche Sinn der Rechtlos-Stellung von Sexarbeiter*innen und der Diskriminierung von Prostitution. Deshalb ist die Anti-Prostitutions-Politik der etablierten Parteien durch und durch frauenfeindlich.

Daher bekräftigt Doña Carmen e.V. aus Anlass des Internationalen Frauentags 2024 die Forderung:

My body, my choice – Rechte für Sexarbeiter*innen statt Diskriminie

Pressemitteilung 5.3.2024